Bürgerbeteiligung in der Kommune – ein Zwischenstand

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„Bürgerbeteiligung in der Kommune auf dem Weg zur Selbstverständlichkeit“ lautete im Jahr 2013 der anspruchsvolle Titel des „Forum Bürgerbeteiligung“ der Stiftung Mitarbeit und der Evangelischen Akademie Loccum. Die Fragezeichen drängen sich auf: Wird Beteiligung tatsächlich irgendwann selbstverständlich sein? Und wenn wir den Optimismus teilen, wie sieht der Weg aus, welche Etappen bestimmen ihn und wo stehen wir heute?

Auf dem Weg[Bearbeiten]

Die Teilnahme deutet jedenfalls darauf hin, dass die Bürgerbeteiligung im Aufwind ist: Immer früher ist diese Konferenz, die seit 18 Jahren jeweils im September stattfindet, ausgebucht. Kommunen, Initiativen und Wissenschaft sind vertreten und natürlich die vielen Büros und Selbständigen, für die sich mit Beratung, Moderation, Mediation und Prozessbegleitung ein Geschäftsfeld auftut. Das Thema boomt, wenn auch noch in kleinem Maßstab.

Wer ist schon unterwegs?[Bearbeiten]

Und einige Kommunen sind tatsächlich auf dem Weg, Beteiligung dauerhaft in Politik und Verwaltungshandeln zu verankern. Pioniere gibt es unter kleinen Kommunen; so stammt der Leitfaden für Bürgerbeteiligung in Filderstadt (Baden-Württemberg) bereits aus dem Jahr 2002. Dort wurde auch die Diskussion darüber, was eine systematische Beteiligung der BürgerInnen für die Rolle von Rat und Verwaltung bedeutet, bereits vor vielen Jahren intensiv geführt.

Unter den Großstädten war Leipzig eine der ersten, die Beteiligung nicht nur bei einzelnen Projekten durchführten, sondern systematisch in der Kommunalpolitik verankerten. Eine Besonderheit dabei war, dass bereits die Leitlinien zur Bürgerbeteiligung partizipativ entwickelt wurden. VertreterInnen der Bürgerschaft, der Verwaltung und des Stadtrates bildeten gemeinsam ein „Forum Bürgerstadt Leipzig“, das den Prozess verantwortete, wofür der Begriff „Trialog“ geprägt wurde.

Diesen trialogischen Weg ging etwas später auch Heidelberg; zur Erarbeitung seiner Leitlinien wurde eine Reihe von Bürgerforen veranstaltet. Vergleichbares geschieht zurzeit z. B. in Wolfsburg, Bonn und Potsdam. Diese Städte lernen voneinander und versuchen – auch mit Hilfe der wissenschaftlichen Begleitforschung – es immer etwas besser zu machen als die Vorgängerin.

Ganz anders verlief der Weg in Mannheim. Der 2007 gewählte Bürgermeister hatte Beteiligung zum Wahlkampfthema gemacht und treibt seitdem im Rahmen einer umfangreichen Verwaltungsmodernisierung das Projekt „Stärkung der bürgerschaftlichen Beteiligung und des bürgerschaftlichen Engagements“ voran. Der Prozess lebt von der starken Selbstverpflichtung der Verwaltungsspitze und ist eher top-down angelegt. Doch auch Gemeinsamkeiten fallen auf: Alle genannten Städte entwickeln Leitlinien und sorgen für eine personelle Verankerung der Beteiligungsstrategie im Verwaltungsaufbau.

Meilen- und Stolpersteine[Bearbeiten]

Die Vielfalt der Kommunen in Deutschland, der Rahmenbedingungen (Größe, Tradition, Landesrecht, …) und der Anlässe sorgt dafür, dass für jede Kommune der Weg etwas anders aussieht. In der Vielfalt liegt unbedingt auch eine Chance, denn den „richtigen“ Weg dürfte es nicht geben; umso wichtiger ist, aus einer Vielzahl von Experimenten zu lernen. Dementsprechend wird intensiv über strukturelle Gemeinsamkeiten und Erfolgsbedingungen diskutiert.

Der Anlass für die Entwicklung einer kommunalen Beteiligungsstrategie kann einfach darin liegen, dass sich die Kommune eine blutige Nase geholt hat. So stoppte in Heidelberg ein Bürgerbegehren den Ausbau der Stadthalle, nachdem schon mehrere Millionen Euro investiert waren. Anderswo stehen große Entscheidungen zur Stadtentwicklung an (in Mannheim z. B. zur Nachnutzung großer Konversionsflächen), und die Kommunen haben gelernt, lieber vorher mit den BürgerInnen zu reden als im Nachhinein zu prozessieren. Wieder anderswo entsteht die Beteiligungsstrategie eher als Fortsetzung des Agenda-21-Prozesses oder als Erweiterung eines Vorhabens zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements.

Wie auch immer die Strecke im Einzelnen aussieht – notwendige Bedingung für ein Gelingen sind starke Promotoren. Eingefahrene Wege werden nur verlassen, wenn ein klarer politischer Wille vorhanden ist und sich auch die Verwaltungsspitze eindeutig und aktiv dazu bekennt. Dies gilt auch dann, wenn die Initiative für eine beteiligungsorientierte Politik vom Rat oder der Bevölkerung ausgeht.

Immer mehr Kommunen formulieren Grundsätze und Verfahrensweisen für Bürgerbeteiligung in Leitlinien oder ähnlichen Papieren. Diese entstehen, wie geschildert, mal im politischen Prozess zwischen Rat und Verwaltung, immer häufiger auch partizipativ im Dialog mit der Bürgerschaft. Eine Sammlung schon vorhandener Leitlinien entsteht beim Netzwerk Bürgerbeteiligung. Ein erstes Treffen von „Leitlinien-Kommunen“ fand am 21. Oktober 2013 in Heidelberg statt.

Ob diese Leitlinien in Form von Satzungen auch rechtlich verbindlich werden sollen und wie eine solche Beteiligungssatzung aussehen kann, wird sehr unterschiedlich gesehen. Das Netzwerk Bürgerbeteiligung arbeitet an einem Vorschlag, die rechtlichen Bedingungen für Partizipation in den Gemeindeordnungen zu verbessern. Erste Ansätze hierzu sind in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erkennbar, in Schleswig-Holstein ist immerhin schon – wie in Baden-Württemberg – die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Gemeindeordnung enthalten.

Wichtig sind AnsprechpartnerInnen innerhalb der Verwaltung. In kleineren Gemeinden ist es häufig nur eine Person, manchmal in Personalunion mit der Verantwortung für Bürgerengagement, Beschwerdemanagement oder die Lokale Agenda, die die Beteiligungsstrategie entwickelt und vorantreibt. In größeren Gemeinden gibt es oft Stabstellen oder Teams. Gelegentlich bleibt die Verantwortung dezentral in verschiedenen Ämtern (Jugend, Stadtentwicklung, Planung …), die in einem verwaltungsinternen Arbeitskreis zusammentreffen, deren KoordinatorIn die Anlaufstelle bildet. Einen besonderen Weg geht Potsdam: Das noch im Aufbau befindliche „Büro für Bürgerbeteiligung“ wird paritätisch von der Stadt und einem freien Träger als Vertreter der Zivilgesellschaft (mit städtischer Finanzierung) besetzt.

Neben den Bezeichnungen unterscheiden sich auch die verwaltungsinterne Anbindung und die Ausstattung mit Ressourcen enorm. Wie viele Kommunen bereits Partizipationsbeauftragte – manchmal sind es auch KoordinatorInnen, Stabstellen-LeiterInnen etc. – haben, ist unbekannt, es sind mindestens einige Dutzend mit wachsender Tendenz. Auch diese Beteiligungsprofis in den Verwaltungen beginnen sich bundesweit zu vernetzen.

Eine wesentliche Voraussetzung für wirkungsvolle Beteiligung ist die Transparenz der kommunalen Planungen und Entscheidungen. Hier steht es in Deutschland nicht zum Besten: Traditionell gilt das Amtsgeheimnis als Regelfall, die Informationsfreiheit als Ausnahme. In vielen Bundesländern gibt es inzwischen Informationsfreiheitsgesetze, die mehr oder weniger weitreichend auch die Kommunen zur Herausgabe von Informationen verpflichten. Wo das Land noch nicht so weit ist, können einzelne Kommunen mit einer Informationsfreiheitssatzung für mehr Durchblick sorgen. Weiter geht Hamburg mit seinem Transparenzgesetz: Information ist hier eine Bringschuld von Land und Kommune, nicht eine Holschuld der interessierten BürgerInnen. Nachahmenswert ist wieder Heidelberg. Die Stadt stellt eine Vorhabenliste ins Netz, auf der mindestens drei Monate vor der Entscheidung, oft früher, alle Vorhaben der Stadt veröffentlicht werden, filterbar nach Stadtteil und Thema.

Noch kein Fazit[Bearbeiten]

Für ein Fazit ist es viel zu früh. Nur eine Minderheit der Kommunen stellt sich bislang überhaupt der Aufgabe, die gewachsenen Ansprüche an Beteiligung und Mitsprache systematisch und im Rahmen verbindlicher, selbstgeschaffener Regeln aufzunehmen. So unterschiedlich die Motive und die treibenden Kräfte, so verschieden sind auch die bisher gegangenen Schritte. Die Diskussion darüber, ob es allgemeingültige Qualitätskriterien für eine gute Beteiligungsstrategie gibt und wie diese aussehen, beginnt gerade erst. Umso wichtiger ist es, Orte zu schaffen, wo Erfahrungen ausgetauscht und Strategien diskutiert werden können. Die Evangelische Akademie in Loccum ist einer dieser Orte, und wer mitdiskutieren will, kann sich schon mal das letzte Septemberwochenende 2014 reservieren. Einstweilen benennt das Motto „… auf dem Weg zur Selbstverständlichkeit“ eine Utopie, die die Richtung weist, aber noch längst nicht in greifbare Nähe rückt.

Ausgewählte Materialien[Bearbeiten]

Lokale Beispiele[Bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten]

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in: AKP 6/2013