Kommunaler Finanzausgleich: Was brauchen die Kommunen?

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Die Finanzierung der Kommunen hängt stark von den Zuweisungen der Länder ab – hier spielt der Kommunale Finanzausgleich (KFA) die zentrale Rolle. Im vorliegenden Artikel soll es darum gehen, wie der Umfang der kommunalen Finanzierung und die Verteilung dieser Masse innerhalb der „kommunalen Familie“ bestimmt werden. Dass es dabei nicht ohne Streit abgeht, liegt in der Natur der Sache.

Ebenso natürlich ist es, dass die Streitigkeiten in Zeiten knapper Kassen zunehmen. Seit der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrise mit starker Zunahme der kommunalen Kassenkredite wurden erneut viele Klagen von Kreisen und Gemeinden gegen den KFA eingereicht. Daher gibt es einige neuere Urteile, durch die sich eine kommunalfreundliche Trendwende in der Rechtsprechung andeutet.

Spielräume der Länder[Bearbeiten]

Kommunen müssen Ansprüche auf eine angemessene Finanzausstattung an die jeweiligen Länder richten – auch in Fällen, wo Einnahmen oder Ausgabeverpflichtungen durch den Bund verändert wurden. Entsprechende Urteile ergehen daher meist durch die Verfassungsgerichte der Länder und beziehen sich streng genommen jeweils nur auf das betreffende Land, zumal die Bestimmungen in den Landesverfassungen, auf die Kommunen sich berufen, sich in Details unterscheiden.

Wie auch immer das Land den kommunalen Finanzausgleich ausgestaltet, es hat dabei einen weiten Spielraum. Zudem hat die Rechtsprechung, vor allem in den 90er Jahren, mehrfach betont, dass die Finanzzuweisungen der Länder an die Kommunen unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes stehen (zuletzt: VerfGH NRW, 06.05.2014, 14/11 und 9/12). Andererseits garantiert das Grundgesetz die kommunale Selbstverwaltung, woran auch die Länder gebunden sind. Der entsprechende Art. 28 (2) GG wurde 1994 um den Satz ergänzt: „Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung ….“ Dadurch sehen sich die Kommunen in ihren Forderungen nach einer hinreichenden Finanzausstattung gestärkt.

Die kommunale Selbstverwaltung ist aber nach Ansicht mehrerer Landesverfassungsgerichte nur dann gegeben, wenn die Kommunen außer ihren Pflichtaufgaben auch freiwillige Aufgaben erfüllen können. So urteilte der Staatsgerichtshof Niedersachsen 1997: "Der Gesetzgeber darf die kommunale Finanzausstattung aber nicht in einer Weise beeinträchtigen, die den Anspruch auf eine finanzielle Mindestausstattung verletzt und dadurch das Recht auf Selbstverwaltung aushöhlt. Die danach gebotene Mindestausstattung ist jedenfalls dann unterschritten, wenn die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsangelegenheiten infolge einer unzureichenden Finanzausstattung unmöglich wird.“ (25.11.1997, StGH 14/95; ähnlich der Thüringer Verfassungsgerichtshof, 21.06.2005, VerfGH 28/03, und der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, 14.02.2012, VGH N 3/11).

Damit ist der Rahmen gesteckt: Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landes auf der einen, die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung auf der anderen Seite setzen die Grenzen, innerhalb derer das Land weite Gestaltungsspielräume hat. Je nach Landesverfassung hat aus Sicht der Gerichte mal die eine, mal die andere Seite mehr Gewicht. Und da beide Grenzen nicht leicht objektiv zu ermitteln sind, gibt es ebenfalls viel Spielraum für politische und juristische Auseinandersetzungen.

Wie bemisst sich die Ausgleichsmasse?[Bearbeiten]

Auf die Frage, wie bestimmt werden soll, wieviel von seinen Einnahmen das Land für den KFA abzweigt, haben die Länder unterschiedliche Antworten gefunden.

Traditionell wird der Verteilungsmaßstab zwischen Land und Kommunen durch das Festsetzen der Verbundquote gefunden. Dies entspricht dem Wortlaut des Grundgesetzes, wonach das Land einen Prozentsatz der eigenen Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern festzusetzen hat, der den Kommunen zusteht. Freiwillig kann das Land weitere Steuern einbeziehen. Solange sich an der Zusammensetzung dieser Bemessungsgrundlage und an der Verbundquote nichts ändert, folgt die Ausstattung des KFA (die Verbundmasse) allein der Entwicklung dieser Landessteuern. Dieses Modell, das in der Mehrzahl der Länder angewendet wird, reagiert zunächst nicht auf Veränderungen der finanziellen Lage der Gemeinden. Wenn bei den Kommunen Belastungen hinzukommen – sei es bei den Einnahmen oder den Aufgaben –, müssen sie sich beim Land für eine Erhöhung der Verbundquote einsetzen. Verschlechtert sich die Finanzlage des Landes, versucht dieses häufig auch eine Senkung der KFA durchzusetzen.

Da einige der Gemeinschaftssteuern – vor allem die Körperschaftsteuer – stark konjunkturabhängig schwanken, reagieren auch die Einnahmen der Kommunen aus dem KFA (zeitverzögert) konjunktursensibel. Die Länder können diesen Effekt abmildern, indem sie weitere Steuern in den KFA einbeziehen. Sowohl bei Ländern wie auch bei den Gemeinden gibt es aber auch immer wieder Entwicklungen, durch die sich eine Seite „ungerecht“ behandelt sieht und Veränderungen fordert.

Einige ostdeutsche Länder (Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, 1997-2000 auch Brandenburg, seit 2014 Thüringen) versuchen den stetigen Verteilungskampf zu dämpfen, indem sie als neues Prinzip den „Gleichmäßigkeitsgrundsatz“ einführen. Danach sollen sich die Einnahmen der Kommunen aus Steuern und dem KFA zusammengenommen ebenso entwickeln wie die entsprechenden nach Abzug des KFA verbleibenden Einnahmen des Landes. Land und Gemeinden werden also aneinander gekoppelt: Geht es einer Seite finanziell besser, partizipiert die andere automatisch – bei Verschlechterungen ebenso. Das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat im Jahr 2006 diesen Grundsatz ausdrücklich als verfassungsgemäß anerkannt (LVerfG 1/05 v. 11.05.2006).

Dies Modell kann die konjunkturbedingten Schwankungen der kommunalen Finanzen etwas abmildern. Die kommunale Finanzierung hängt nicht mehr unmittelbar von der Entwicklung einzelner Steuerarten ab, der Maßstab ist jetzt die zusammengenommene Einnahmeentwicklung von Ländern und Kommunen insgesamt. Dennoch orientiert sich auch hier die Ausstattung der kommunalen Ebene nur an den Einnahmen der staatlichen Haushalte, einen direkten Bezug zu den kommunalen Aufgaben und damit zum Finanzbedarf gibt es nicht. Daher wird in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern der Verteilungsmaßstab regelmäßig überprüft.

Neuer Trend: Bedarfsorientierung[Bearbeiten]

Schon länger fordert die kommunale Ebene, ihre Finanzausstattung müsse sich am tatsächlichen Bedarf orientieren. Insbesondere dann, wenn Einnahmen wegbrechen, die Aufgaben jedoch bleiben, oder wenn den Kommunen zusätzliche Aufgaben aufgebürdet werden, verlangen Kommunen eine Anpassung ihrer Finanzausstattung, zunehmend auch auf dem Klageweg. Dabei können sie sich – neben dem Konnexitätsprinzip, das inzwischen in allen Landesverfassungen steht – direkt auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, also auf das Grundgesetz stützen.

Hier zeichnet sich ein neuer Trend ab: Immer mehr Gerichte folgen diesem Argument und fordern, die Länder müssten die Ausstattung des KFA anhand einer realistischen Ermittlung des kommunalen Finanzbedarfs bemessen. So urteilte der Staatsgerichtshof des Landes Hessen: „Der Landesgesetzgeber kann seiner Verpflichtung zu einem aufgabengerechten Finanzausgleich nur nachkommen, wenn er die Höhe der zur kommunalen Aufgabenerfüllung notwendigen Finanzmittel kennt. Dies setzt eine Ermittlung des durch Aufgabenbelastung und Finanzkraft vorgezeichneten Bedarfs der Kommunen voraus“ (StGH Hessen, 21.05.2013, P.St. 2361). Der Gesetzgeber müsse daher „den Finanzbedarf der Kommunen im Hinblick auf die pflichtigen Aufgaben realitätsgerecht ermitteln.“ Im Urteil werden ähnliche Aussagen anderer Landesverfassungsgerichte zitiert, die, teils weniger deutlich, in die gleiche Richtung weisen (z. B. Niedersachsen, 16.05.2001, StGH 6/99 u.a.; Thüringen, 21.06.2005, VerfGH 28/03; Brandenburg, 22.11.2007, VfGBbg 75/05; Mecklenburg-Vorpommern, 11.05.2006, LVerfG 1/05 u. a.; weitere Verweise im hessischen Urteil in Rz. 136).

Nun ist die Ermittlung des Bedarfs in der Praxis gar nicht so einfach. Die tatsächlichen Aufwendungen oder Ausgaben allein können kein Maßstab sein – sie richten sich in der Praxis eher nach den zur Verfügung stehenden Mitteln und können im Einzelfall übertrieben (z. B. durch ineffiziente Organisation) wie auch zu knapp bemessen sein. Die Länder haben daher immer wieder argumentiert, dass ein objektiver Maßstab für eine realistische Ermittlung des kommunalen Finanzbedarfs nicht zu finden sei. Der Staatsgerichtshof greift dies Argument auf und räumt ein, die Bedarfsanalyse könne „schwierig und komplex“ sein – sie sei aber möglich. Der Gesetzgeber könne sich z. B. an empirisch ermittelten tatsächlichen Ausgaben für Pflichtaufgaben orientieren und dürfe durchaus pauschalieren, insbesondere einen prozentualen „Aufschlag“ für freiwillige Aufgaben vorsehen.

Wie erwähnt, sind auch andere Landesverfassungsgerichte zu der Ansicht gekommen, das Land müsse eine realistische Bedarfsermittlung durchführen. Und so müssen sich immer mehr Länder dieser Aufgabe stellen. Auf jeden Fall führt diese Rechtsprechung – ob sie nun die Gesamtausstattung des KFA oder seine Verteilung unter den Kommunen betrifft – dazu, dass immer mehr Landesregierungen Gutachten von Wirtschaftsforschungsinstituten erstellen lassen, um ihre Modelle für den KFA zu untermauern oder Reformvorschläge zu entwickeln.

Beispiele für neuere Gutachten[Bearbeiten]

Zunehmende kommunale Unterschiede[Bearbeiten]

In den vergangenen Jahrzehnten ist – neben der allgemeinen Finanzkrise der Kommunen – eine Tendenz ungebrochen: Die Unterschiede in der Finanzausstattung zwischen den Kommunen nehmen zu. Damit ist der KFA, der ja das Ziel des Ausgleichs schon im Namen trägt, immer stärker gefordert und oft auch überfordert. Nur zwei Instrumente, mit denen Länder darauf reagieren, sollen hier kurz besprochen werden, eines zielt auf das obere Ende (die „reichsten“ Kommunen), das andere auf das untere Ende der Spanne:

Einführung einer Abundanzumlage[Bearbeiten]

Während der KFA traditionell ein rein vertikaler Finanzausgleich war (Zahlungen des Landes an die Kommunen), haben jüngst immer mehr Länder auch eine horizontale Komponente eingeführt. Abundante Kommunen, d. h. solche, deren Steuerkraft über der Messzahl im KFA liegt und die daher keine Schlüsselzuweisungen erhalten, müssen über eine Finanzausgleichs- oder Abundanzumlage in den KFA einzahlen. Natürlich führt auch dies sofort zu Klagen der betroffenen Kommunen. Bestätigt wurde die Abundanzumlage z. B. vom Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt (26.11.2014, LVG 10/13) und vom Verfassungsgericht Brandenburg (6.08 2013, VfGBbg 53/11)

Zusätzliche Unterstützungsprogramme[Bearbeiten]

Rund die Hälfte der Flächenländer in Deutschland haben Konsolidierungshilfen unter fantasievollen Namen wie „Stärkungspakt“ (NRW), „Schutzschirm“ (Hessen) oder „Zukunftsvertrag“ (Niedersachsen) aufgelegt, teils im Rahmen des KFA, teils zusätzlich. Überwiegend handelt es sich um Fonds, aus denen Schuldendiensthilfen geleistet oder kommunale Schulden übernommen werden. Siehe hierzu den Artikel Konsolidierungshilfen sowie AKP 3/2014, S. 50ff.

Vorläufiges Fazit[Bearbeiten]

In die Diskussion um den kommunalen Finanzausgleich ist Bewegung gekommen. Ging es in den Streitigkeiten früherer Jahrzehnte meist um die richtigen Maßstäbe für die Verteilung der Landesmittel unter die Kommunen, steht jetzt zunehmend die Ausstattung des KFA insgesamt im Zentrum der Auseinandersetzung. In immer mehr Bundesländern ist heute rechtlich anerkannt, dass zur kommunalen Selbstverwaltung auch freiwillige Aufgaben gehören und dass sich die Finanzausstattung der Gemeinden an einem realistisch ermittelten kommunalen Finanzbedarf zu orientieren hat. Für die Länder werden die Aufgaben dadurch komplexer: Sie müssen bei der Ermittlung von Maßstäben für Ausstattung und Verteilungsschlüssel des KFA sorgfältiger arbeiten. Zugleich wird ihr finanzieller Spielraum durch die schrittweise Einführung der Schuldenbremse tendenziell kleiner. Der KFA selbst ist durch die wachsenden Unterschiede in der Finanzlage der einzelnen Kommunen zunehmend gefordert, wenn nicht überfordert.

Die finanziellen Probleme der Kommunen resultieren aus der Diskrepanz zwischen Aufgaben (vor allem die dynamisch wachsenden Kosten sozialer Leistungen) und einer nicht hinreichenden Ausstattung mit verlässlichen Steuereinnahmen. Der KFA als nachgelagertes Instrument kann nur notdürftig „reparieren“, was auf dieser primären Ebene nicht angemessen gelöst wurde. Solange die grundlegenden Probleme der Gemeindefinanzen nicht angegangen werden, wird auch der KFA ein Feld der politischen und juristischen Auseinandersetzung bleiben.

Siehe auch[Bearbeiten]

Quelle[Bearbeiten]

Der vorliegende Artikel wurde ursprünglich für die AKP als zweiter Teil zum Artikel Kommunaler Finanzausgleich geschrieben und ist in Heft 4/2015 erschienen; er wurde für das KommunalWiki leicht überarbeitet und durch Links ergänzt.