Korruptionsprävention in kommunalen Verwaltungen

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Kölscher Klüngel[Bearbeiten]

1992 machte Erwin Scheuch in seinem Buch über den Kölschen Klüngel eine Seite der Korruption deutlich, die Enge zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern, zwischen Politik und Wirtschaft. Seitdem hat sich viel getan in den deutschen Verwaltungen, aber aktuell ist das Thema weiterhin geblieben. Die Anzahl der Korruptionsverfahren ist gestiegen, doch ob es mehr Korruption gibt, weiß niemand, da die Dunkelziffer sehr hoch ist. Doch sind Richtlinien und Verfahrensweisen entwickelt worden, die helfen, Korruption zu verhindern und zu entdecken. Die Verwaltung selbst hat sich geändert, und auch für diese neuen Formen der Verwaltung gibt es neue Ansätze. Doch allen Beteiligten ist klar: Wo Geld und Genehmigungen fließen, steht die Korruption in der Tür. So wurde gleich bei der Planung des neuen Großflughafens in Berlin ein Korruptionsbeauftragter benannt, der geeignete Maßnahmen ergreifen soll, um Korruption zu verhindern.

Doch nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für die KommunalpolitikerInnen selber werden Verhaltenskodizes entwickelt. Da für sie nicht die gleichen Regeln gelten wie für Beamte, fordert der Wuppertaler Stadtrat den Gesetzgeber auf, hier aktiv zu werden, um neben der Selbstverpflichtung auch strafbewehrte Maßnahmen zu haben, sollte ein Mandatsträger seine Stellung missbraucht haben.

  • Zur Definition des Begriffs siehe Artikel Korruption.

Korruptions-Lagebild[Bearbeiten]

Die Zahl der erkannten Korruptionsfälle in der Bundesrepublik liegt seit einigen Jahren bei ca. 1200 jährlich, wenn einige Besonderheiten nicht beachtet werden. Das geht aus der Statistik des Bundeskriminalamtes hervor<Vgl. hier und im Folgenden Bundeskriminalamt, [Lagebilder Korruption]. Die Lagebilder werden jährlich veröffentlicht. Der vorliegende Artikel basiert auf dem Lagebild 2005 (nach Aktualisierung bitte diesen Hinweis entfernen)</ref>. Im besonderen Fokus ist die öffentliche Verwaltung, und da natürlich auch aufgrund ihrer Größe besonders die Kommunalverwaltung. Besonders betroffen sind die Bereiche Beschaffung und Bauwesen, aber im Prinzip kann es überall, wo Genehmigungen erteilt werden, auch zu Korruption kommen. Gleichzeitig geht das Bundeskriminalamt davon aus, dass die Privatwirtschaft nicht weniger korruptionsanfällig ist, dort aber die Delikte wegen des negativen Images nicht zur Anzeige gebracht werden.

Aus dem Lagebericht ergibt sich, dass die Nehmer vornehmlich im Bereich der Sachbearbeitung zu finden sind. Von diesen waren sehr viele über 3 Jahre auf der gleichen Position. Oft dauerten die korruptiven Beziehungen zwischen 3 und 10 Jahren. Daus ergibt sich auch, dass es nur eine geringe Häufigkeit situativer Korruption gibt und man ca. 90 % der bekannten Verfahren zur strukturellen Korruptionskriminalität zählen muss.

Der Großteil der Vorteile, die gewährt wurden, lag meist im Bereich geringer Sachzuwendungen oder Bewirtungen. Der Anteil von Geldzuwendungen spielt nur eine kleine Rolle. Die Zahl der Korruptionsfälle, die nicht von Innen entdeckt, sondern von außen angezeigt werden, steigt ständig.

Diese Erkenntnisse haben zu verschiedenen Präventionsmaßnahmen geführt.

Konzepte zur Korruptionsprävention[Bearbeiten]

Die Korruptionsprävention baut auf einer Analyse der Gefährdungsbereiche auf, die sich aus dem Lagebild ergibt. Gleichzeitig setzt sie jedoch an bei der Unternehmens- und Verwaltungskultur. Ethik-Richtlinien und Ehrenkodizes sollen verbindliche Handlungsanweisungen für die MitarbeiterInnen von Verwaltungen und Unternehmen sowie MandatsträgerInnen schaffen, um Korruption zu verhindern und mögliche Verdachtsfälle sofort zu entdecken. Einen Ehrenkodex für die Ratsmitglieder hat beispielsweise die Stadt Wuppertal aufgestellt.

Dadurch erfüllen Ratsmitglieder zuerst und als Vorbild die wesentliche Voraussetzung für Prävention: die Transparenz des eigenen Handelns, die Offenlegung der eigenen Interessenslage. Diese Offenheit sollte untermauert werden durch Informationsfreiheit auf kommunaler Ebene, um Entscheidungen nachzuvollziehen und zu kontrollieren. Diese Offenheit muss auch gewährleistet werden, wenn Aufgaben privatisiert werden. Durch die Anwendung von Antikorruptionsklauseln und des Integritätspaktes soll die ordentliche Erfüllung von öffentlichen Aufträgen gewährleistet werden.

Im kommunalen Bereich haben Transparency International und der Deutsche Städte- und Gemeindebund zwei Präventionsmodelle entwickelt, an denen sich die Städte und Gemeinden orientieren können.

Das Vier-Säulen-Modell von Transparency[Bearbeiten]

Alle gesellschaftlichen Kräfte sollen an der Prävention gegen Korruption aktiv beteiligt sein. Transparency macht für den kommunalen Bereich vier bedeutende Akteure aus (Vier-Säulen-Modell), für die je spezifische Maßnahmen entwickelt werden:

  • 1. Säule: Die "Legislative" – Kommunale Gremien, Mandatsträger und die politisch bestimmten Führungspersönlichkeiten.
  • 2. Säule: Die Exekutive, die öffentliche Verwaltung.
  • 3. Säule: Die öffentlichen Unternehmen (sei es in öffentlich-rechtlicher Form oder in privatrechtlicher Form) und Unternehmen, die öffentliche Aufgaben in originär privater Rechtsform wahrnehmen. Dazu gehört der gesamte Bereich des „Outsourcing“ und der Privatisierung.
  • 4. Säule: Die Zivilgesellschaft und die Medien, das heißt Bürger und Bürgerinitiativen, NGOs (Nicht-Regierung-Organisationen) sowie Presse, Funk, Fernsehen, Internet.

Siehe hierzu[Bearbeiten]

10 Regeln des DStGB[Bearbeiten]

Der Städte- und Gemeindebund hat 10 Regeln[1] aufgestellt, die helfen sollen, Korruption bei öffentlichen Aufträgen zu verhindern. Dazu zählen Personalmaßnahmen wie das Mehr-Augen-Prinzip, Personalrotation, Vergabestellen und elektronische Vergabe sowie einige andere organisatorische Maßnahmen.

Arbeitshilfen des BMI[Bearbeiten]

Das Bundesministerium des Inneren hat Texte zur Korruptionsprävention herausgegeben, die sich mit der Bundesverwaltung beschäftigen, aber auch für andere Bereiche der öffentlichen Verwaltung gute Anregungen liefern. Neben einem Verhaltenskodex findet sich dort ein Leitfaden für Vorgesetze, Empfehlungen für einzelne Maßnahmen sowie eine Mustervereinbarung zum Sponsoring. Ferner ist ein Rundschreiben zum Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken abgedruckt. Abgerundet wird die Textsammlung durch Gesetzestexte sowie Adressen und eine Literaturübersicht.

Handbuch des Europarates[Bearbeiten]

Ein Handbuch des Europarates zur Korruptionsprävention im kommunalen Sektor umfasst ethische Mindeststandards und hält einige Vorschläge bereit, die jedoch nicht so sehr in die Tiefe gehen wie die bisher beschriebenen Maßnahmen.

NRW: Anti-Korruptions-Erlass[Bearbeiten]

Im Dezember 2022 hat die Landesregierung von NRW einen "Anti-Korruptions-Erlass"[2] veröffentlicht, der für alle Behörden, Einrichtungen, Landesbetriebe und Sondervermögen in NRW gilt; den Kommunen wird, soweit sie nicht ohnehin dazu verpflichtet sind, die Anwendung empfohlen. In diesem Erlass wird genauer definiert, was unter Korruption zu verstehen ist, korruptionsgefährdete Tätigkeiten aufgezählt und Maßnahmen gegen Korruption genannt. Die Einrichtungen sind verpflichtet, Gefährdungsanalysen und darauf aufbauend einen Gefährdungsatlas zu erstellen (2.3 und 2.4). Präventionsmaßnahmen werden umfangreich beschrieben (3.1 bis 3.6) und Verhaltensregeln z.B. zu Nebentätigkeiten und Sponsoring aufgestellt (4.1 bis 5.3). Weiterhin müssen alle Einrichtungen, die nicht über eine Innenrevision verfügen, Antikorruptionsbeauftragte einstellen.

Beispiele und Einzelmaßnahmen[Bearbeiten]

Dass Kommunalverwaltungen sich durchaus des Themas Korruptionsprävention annehmen, zeigt das Beispiel des Berliner Bezirks Spandau. Schon bei der Auftragsvergabe werden Spezialisten hinzugezogen, um die Ausschreibung möglichst zu präzisieren. Bei einer unabhängigen Stelle können Verdachtsmomente und Unregelmäßigkeiten gemeldet werden. Für diese Verfahrensweise erhielt Spandau den Preis des Internationalen Speyrer Qualitätswettbewerb 2005.

Dass nicht immer ein Vertrauensanwalt die richtige Maßnahme ist, musste die Stadt München feststellen: Der gewünschte Erfolg blieb aus. Statt dessen gibt es dort jetzt eine Antikorruptionsstelle mit 4 Mitarbeiterinnen. Sie entwickeln referatsspezifische Präventionsmaßnahmen und gesamtstädtische Konzepte zur Bekämpfung der Korruption. Kolleginnen und Kollegen, aber auch die Dienstellen finden in ihnen kompetente Ansprechpartner zu allen Fragen der Korruption. So wurde auch ein Aussteigertelefon geschaltet, um korrupten MitarbeiterInnen die Möglichkeit zu gen, den Kreislauf selber zu durchbrechen.

In Hilden setzt der Bürgermeister ganz auf die Vorbildfunktion. Er machte das Thema Korruptionsprävention zur Chefsache und führte umfangreiche Seminare für MitarbeiterInnen durch. Ausführlich beschreibt er die Implementierung der Prävention in seinem Artikel für die Kommunalpolitische Infothek (2007).

Eine neue Ethik[Bearbeiten]

Auf der Jahrestagung 2006 des "Netzwerks Recherche" berichtete Hans Leyendecker von einer Studie, dass nur 1/3 der Schüler und Studierenden Korruption ablehnt. In der Monographie "Dunkelfeld Korruption heißt es: „Korrupte Bräuche könnten so weitgehend einreißen, dass niemand mehr auf die Idee kommt, einen Korrupten korrupt zu nennen“. Mit der Publikation will das Netzwerk Recherche JournalistInnen Hintergrundinformationen und Wissen vermitteln, um in der Berichterstattung sowie der Recherche sensibilisiert zu sein.

Korruption ergibt sich in der Regel nicht aus der zufälligen Gelegenheit. Sie ist geplant und setzt auf ein Verständnis bei denjenigen, die die Entscheidung treffen. Durch viele Vorbilder aus den Chefetagen wird deutlich, dass das Nehmen dort zu einer Art Selbstverständlichkeit wird, der sich dann auch die anderen Mitarbeiter nicht verschließen. So fordert Klaus-Ulrich Moeller in einer Kolumne in Brand Eins eine neue Unternehmenskultur in den Vorstandsetagen und wünscht sich einen „Manager von Format“.

Die Methoden der Korruptionsprävention in den kommunalen Verwaltungen sind auf einem guten Stand. Gerade durch Transparency Intenational wurden sie weiterentwickelt und bleiben ein Thema auch für die kommunalen Spitzenverbände und die einzelnen Gemeinden. Es gilt, diese Ansätze aufzugreifen und zur Grundlage eines neuen Handelns der Politik zu machen. Transparenz und Durchschaubarkeit für alle BürgerInnen – das ist die oberste Maxime der Korruptionsprävention.

EU-Whistleblower-Richtlinie fordert Hinweisgebersystem und Schutz von Whistleblowern[Bearbeiten]

Im Jahr 2019 wurde vom EU-Parlament die sogenannte "EU-Whistleblower-Richtlinie"[3] beschlossen. Sie soll Menschen, die Hinweise auf Rechtsverletzungen geben, vor Repressalien schützen. Ab dem 17.12.2021 soll diese Richtlinie im nationalen Recht aller Mitgliedstaaten umgesetzt sein. Auch wenn dieser Termin in Deutschland nicht eingehalten wird, ist doch davon auszugehen, dass die Richtlinie für öffentliche Stellen, und dazu gehören Kommunen und kommunale Unternehmen, unmittelbar wirkt. Sie verpflichtet damit auch Kommunen, ein Hinweisgebersystem zu installieren und den Schutz von Hinweisgeber*innen zu gewährleisten.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Die entsprechende Publikation des DStGB (DStGB-Dokumentation Nr. 31, 2003, pdf-Format) ist dort nicht mehr erhältlich, unter dem angegebenen Link ist sie gegen Registrierung downloadbar.
  2. Landesregierung NRW: Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung (Anti-Korruptionserlass) vom 9. Dezember 2022
  3. Amtliche Bezeichnung: Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (pdf-Format, 17 Seiten)

Siehe auch[Bearbeiten]