Gesundheitsamt

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Das Gesundheitsamt ist die örtliche Behörde für die meisten gesundheitsbezogenen Aufgaben. Es ist auf der Ebene der Kreise und (teilweise) der kreisfreien Städte angesiedelt und bildet die kommunale Ebene des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Das Gesundheitsamt bündelt insbesondere alle Tätigkeiten auf der kommunalen Ebene, die von Ärzt*innen wahrgenommen werden und medizinische Kenntnisse erfordern. Geleitet wird das Gesundheitsamt durch einen Amtsarzt, in Ausnahmefällen auch durch eine Doppelspitze aus medizinischer und kaufmännischer Leitung.[1]

Bezeichnungen und Zuständigkeiten[Bearbeiten]

In der Öffentlichkeit ist der Begriff "Gesundheitsamt" gängig, doch dies ist nicht in allen Bundesländern die offizielle Bezeichnung. So ist auch der Begriff „Fachdienst Gesundheit“ oder „medizinischer Fachdienst“ anzutreffen, teilweise auch die Organisationsform als „Abteilung Gesundheitwesen“ oder „Sachgebiet Gesundheitwesen“ im Landratsamt; schließlich kommt auch die Benennung als „Untere Gesundheitsbehörde“ vor.

Rechtliche Grundlage des Handelns der Gesundheitsämter sind vor allem die Gesetze bzw. (in Thüringen) Verordnung über den öffentlichen Gesundheitsdienst des jeweiligen Landes; siehe im Einzelnen unten unter Rechtsgrundlagen.

In Deutschland gibt es derzeit (2020) ca. 375 Gesundheitsämter, da nicht alle der rund 400 Kreise und kreisfreien Städte ein eigenes Gesundheitsamt haben. Sofern ein Gesundheitsamt für zwei Gebietskörperschaften zuständig ist, beruht dies entweder auf dem entsprechenden Landesgesetz oder auf einer Vereinbarung, in zwei Fällen ist ein Zweckverband Träger eines gemeinsamen Gesundheitsamtes.

Besonderheiten in einzelnen Bundesländern[Bearbeiten]

  • In Baden-Württemberg verfügen unter den Stadtkreisen nur Stuttgart, Mannheim und Heilbronn über eigene, als "Untere Gesundheitsbehörde" bezeichnete Gesundheitsämter. In den anderen Stadtkreisen, in denen Landratsämter ihren Sitz haben, sind entsprechende Abteilungen des Landratsamtes zuständig, in Baden-Baden das Landratsamt Rastatt. Die Stadt Heidelberg und der Rhein-Neckar-Kreis haben ein gemeinsames Gesundheitsamt.
  • In Bayern sind die Aufgaben Gesundheit, Veterinärwesen, Ernährung und Verbraucherschutz gemeinsam geregelt und werden von einer entsprechenden Abteilung im Landratsamt verantwortet. Kreisfreie Gemeinden, deren Gebiet von dem Landkreis umschlossen wird oder die den gleichen Namen tragen wie der angrenzende Landkreis, verfügen nicht über ein eigenes Gesundheitsamt; hier ist die entsprechende Untere Gesundheitsbehörde im Landratsamt des entsprechenden Kreises zuständig.
  • In den Stadtstaten Berlin und Hamburg ist der öffentliche Gesundheitsdienst ähnlich zweistufig aufgebaut wie in den Flächenländern; hier gibt es eine Landesgesundheitsbehörde sowie Gesundheitsämter in den Bezirken.
  • Im Land Bremen gibt es dagegen ein zentrales Gesundheitsamt für die Stadtgemeinde Bremen und eines in Bremerhaven sowie ein Landesgesundheitsamt für die Hafengebiete. Als einziges Land verpflichtet Bremen den öffentlichen Gesundheitsdienst in § 1 Abs. 2 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Lande Bremen ausdrücklich, unterschiedliche Lebenslagen, Gesundheitsrisiken etc. von Männern und Frauen zu berücksichtigen.
  • In Hessen haben 19 der 21 Landkreise und 3 der 5 kreisfreien Städte ein eigenes Gesundheitsamt. Die Stadt Kassel und der Landkreis Kassel sowie die Stadt Darmstadt und der Landkreis Darmstadt-Dieburg haben jeweils ein gemeinsames Gesundheitsamt; Grundlage ist im ersten Fall eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung, im zweiten Fall ein eigens dafür gebildeter Zweckverband.
  • In Niedersachsen besitzen die meisten Landkreise und kreisfreien Städte ein eigenes Gesundheitsamt (im Gesetz "medizinischer Fachdienst" genannt), mit zwei Ausnahmen: Die Stadt Osnabrück und der Landkreis Osnabrück betreiben auf Grundlage einer Zweckvereinbarung ein gemeinsames Gesundheitsamt unter der Verantwortung des Kreises, und die Landkreise Uelzen und Lüchow-Danneberg haben einen Zweckverband für ein gemeinsames Gesundheitsamt gegründet.
  • In Nordrhein-Westfalen gibt es zwischen den unteren Gesundheitsbehörden (Kreise und kreisfreie Städte) und den obersten Landesbehörden eine zusätzliche Ebene: Die Bezirksregierungen fungieren als "mittlere Landesgesundheitsbehörden". Das Gesetz (§ 24 ÖGDG NRW) sieht daneben in allen Kommunen Gesundheitskonferenzen mit beratender und empfehlender Rolle vor.
  • Rheinland-Pfalz hat mit einem eigenen Landesgesetz im Jahr 1996 alle bis dahin bestehenden Gesundheitsämter in den Landkreisen zusammengefasst, die seitdem auch für die kreisfreien Städte zuständig sind. Eine kreisfreie Stadt kann nur dann ein eigenes Gesundheitsamt bilden, wenn sie mehr Einwohner*innen hat als der Landkreis oder wenn sie gemeinsam mit dem Kreis dies beantragt und die Landesregierung zustimmt (§ 2 Abs. 3 des Landesgesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst); dies war bisher nicht der Fall.
  • Im Saarland sind die Gesundheitsämter bei den fünf Landkreisen sowie beim Regionalverband Saarbrücken angesiedelt.

Aufgaben[Bearbeiten]

Die Aufgaben der Gesundheitsämter sind unter den Bundesländern nicht ganz einheitlich geregelt. Die folgende, nicht vollständige Aufzählung gilt daher nicht für jedes Bundesland unverändert; im Zweifel hilft ein Blick in das jeweilige Landesgesetz (siehe unter Rechtsgrundlagen). Nicht alle genannten Aufgaben muss das Gesundheitsamt selbst wahrnehmen, teilweise erlaubt das Landesgesetz die Übertragung von Aufgaben z.B. an niedergelassene Ärzt*innen (Privatisierung), wobei dem Gesundheitsamt die Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und somit die Aufgabe der Überwachung bleibt.

Die Aufgaben der Gesundheitsämter folgen insgesamt aus Bundes- und Landesgesetzen bzw. -verordnungen und sind daher Pflichtaufgaben; überwiegend handelt es sich um pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben (eigener Wirkungskreis), teilweise auch um Pflichtaufgaben nach Weisung (übertragener Wirkungskreis, z.B. beim Infektionsschutz). Damit unterliegen alle Tätigkeiten der Gesundheitsämter der Rechtsaufsicht, teilweise auch der Fachaufsicht der entsprechenden Landes- oder Bundesbehörden.[2]

Gesundheitsberichterstattung und Gesundheitsplanung[Bearbeiten]

Kreise und kreisfreie Städte sollen für Zwecke der Gesundheitsberichterstattung nicht personenbezogene Daten beispielsweise zu Gesundheitsrisiken oder dem Gesundheitszustand der Bevölkerung sammeln und in entsprechenden Berichten veröffentlichen. Die Berichte stehen der Politik, der Verwaltung und der Öffentlichkeit zur Verfügung, um Handlungsbedarfe zu erkennen und politische Ziele zu formulieren. In einigen Bundesländern ist auch die Erstellung einer entsprechenden Fachplanung (Gesundheitsplanung) ein ausdrücklicher gesetzlicher Auftrag.

Gesundheitsförderung und Prävention[Bearbeiten]

Dieses auch als Gesundheitsvorsorge bezeichnete Ziel umfasst Angebote zur Aufklärung, Gesundheitserziehung und Gesundheitsberatung. Es ist aber darüber hinaus als Querschnittsaufgabe der gesamten Verwaltung zu verstehen: Die Träger der Gesundheitsämter (also Kreise und ggf. kreisfreien Städte) sind angehalten, in allen in Frage kommenden Aufgabenfeldern (beispielsweise Siedlungsentwicklung, Wohnen, Schule, Jugend, Menschen im Alter, Verkehr, Umwelt, Arbeitswelt und Soziales)[3] Gesundheitsziele angemessen zu berücksichtigen. In allen Fragen, die ärztlichen Sachverstand erfordern, berät das Gesundheitsamt andere Behörden. In den meisten Landesgesetzen wird der umweltbezogene Gesundheitsschutz (gelegentlich auch als "gesundheitlicher Umweltschutz" bezeichnet) als eigene Aufgabe benannt.

Gesundheitshilfe[Bearbeiten]

Hilfsangebote der Gesundheitshilfe (herkömmlich auch "Gesundheitsfürsorge") richten sich beispielsweise an behinderte Menschen, Migrant*innen, Obdachlose, chronisch Kranke und unterstützungsbedürftige Eltern. Auch Angebote der Sexualaufklärung, der Familienplanung oder Beratung in Schwangerschaftskonflikten gehören dazu. Schließlich kann auch die Kinder- und Jugendgesundheit hierzu gezählt werden. Hier geht es insbesondere um den schulärzlichen und schulzahnärztlichen Dienst, der Kinder und Jugendliche untersucht, um die Früherkennung von Krankheiten zu ermöglichen, Entwicklungsstörungen oder Behinderungen sowie den Impfstatus zu erkennen und bei Bedarf Behandlungs- oder Betreuungsangebote zu vermitteln.

Infektionsschutz[Bearbeiten]

Hiermit sind vor allem die Aufgaben nach dem Infektionsschutzgesetz (IFSG) gemeint, die dort ausführlich benannt sind. Sie gliedern sich u.a. in Überwachung, Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Die kommunalen Aufgaben nach dem IFSG sind jedoch in vielen Bundesländern bei den Ordnungsbehörden (Ortspolizeibehörden), also den Gemeinden angesiedelt, so dass sie von den Gesundheitsämtern der Landkreise nicht wahrgenommen werden.

Hygieneüberwachung[Bearbeiten]

Die Gesundheitsämter überwachen die Hygiene an vielen Orten; Beispiele sind: Trinkwasser, Badegewässer und Schwimmbäder, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, Sportstätten und Spielplätze.[4] Je nach Bundesland können einzelne dieser Aufgaben von anderen Behörden wahrgenommen werden. In Brandenburg ist beispielsweise die Überwachung von Trinkwasser, Badegewässern und Schwimmbädern Aufgabe des Verbraucherschutzes. Die Lebensmittelhygiene (Kontrolle von Lebensmittelherstellung, Gastronomie u.a.) gehört meist nicht zu den Aufgaben der Gesundheitsämter.

Amtliche Bescheinigungen, Zeugnisse, Gutachten[Bearbeiten]

Die Ausstellung von Bescheinigungen richtet sich nach Bundes- und Landesrecht; die Kreise und kreisfreien Städte können diese Aufgaben jedoch auch an Ärzt*innen übertragen.

Rechtsgrundlagen[Bearbeiten]

Personalausstattung der Gesundheitsämter[Bearbeiten]

In der Corona-Krise ist die personelle Ausstattung der Gesundheitsämter in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind im öffentlichen Gesundheitsdienst aller Ebenen derzeit ca. 38.000 Personen beschäftigt, nicht wenige davon in Teilzeit. Die Anzahl der Stellen ist im vorletzten Jahrzehnt (2000er-Jahre) stark reduziert worden, danach wieder etwas angewachsen. Die Zahl der Beschäftigten in den 375 deutschen Gesundheitsämtern wurde im Jahr 2015 auf ca. 17.000 geschätzt.[5] Allein die Zahl der Ärzt*innen in den Gesundheitsämtern ist nach Angaben des Berufsverbandes Deutscher Internisten von 1995 bis 2014 um 33% auf 2.528 zurückgegangen.[6] Zuletzt meldeten viele Gesundheitsämter unbesetzte Stellen.[7] Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, sieht im Gespräch mit der taz die Gesundheitsämter "heillos überfordert, ihren hoheitlichen Aufgaben nachzukommen".[8] Insbesondere Ärzt*innen fehlen in vielen Bundesländern, nicht zuletzt weil die Vergütungen in den Gesundheitsämtern hinter denen in den Krankenhäusern und den Arztpraxen zurückbleiben - und trotz offensichtlicher Vorteile wie geregelte Arbeitszeiten.[9]

Nach einer Umfrage des Deutschen Städtetages gemeinsam mit dem Deutschen Landkreistag, die Anfang August 2020 veröffentlicht wurde, verfügen die Gesundheitsämter in Deutschland derzeit über ca. 3.300 Vollzeitstellen für Ärztinnen und Ärzte, von denen ca. 2.900 (87%) besetzt sind. Für weiteres Personal sind 11.600 Stellen vorgesehen. von denen 11.000 (94,5%) besetzt sind. Der Städtetag kommentierte diesen Befund: "Die Gesundheitsämter sind stark gefordert, aber sie sind nicht überfordert. Sie haben die Herausforderungen der Pandemie bisher gut bewältigt".[10]

Rheinland-Pfalz hat zur besseren Rekrutierung von Ärzt/innen eine Quote eingeführt: 1,5% der Medizinstudienplätze sind für Bewerber*innen reserviert, die sich verpflichten, sich im Bereich des Öffentlichen Gesundheitsdienstes weiterzubilden und für mindestens zehn Jahre im Öffentlichen Gesundheitsdienst eines von einer medizinischen Unterversorgung bedrohten Landkreises tätig zu werden. Das entspricht - wenn die ersten Studierenden Studium und Weiterbildung abgeschlossen haben - jährlich etwa 6-7 Personen.[11]

Während der Corona-Krise wurde in den Gesundheitsämtern zusätzliches Personal benötigt, vor allem zur Nachverfolgung von Infektionsketten. Zeitweilig wurden Beschäftigte aus anderen Verwaltungszweigen, in denen der Arbeitsanfall (z.B. im Publikumsverkehr) reduziert war, umgesetzt; außerdem wurden Studierende für Gesundheitsberufe als Aushilfen eingestellt. Daneben wurden viele Überstunden geleistet. Bund und Länder hatten festgelegt, dass pro 20.000 Einwohner/innen in den Gesundheitsämtern fünf Mitarbeiter/innen für diese Aufgaben zur Verfügung stehen sollten. Laut der schon erwähnten Umfrage zweier kommunaler Spitzenverbände wurden die Gesundheitsämter so um ca. 5.900 Personen aufgestockt. Sobald in Behörden und Ausbildungsstätten wieder Normalität einkehrt, stehen diese zusätzlichen Arbeitskräfte möglicherweise nicht mehr zur Verfügung. Bund und Länder einigten sich am 15.04.2020, rund 20.000 Personen zur Bewältigung der Krise in den Gesundheitsämtern einzustellen.[12] Im Sommer 2020 begann die Bundeswehr, Soldat/inn/en zur Unterstützung besonders belasteter Gesundheitsämter abzukommandieren, sowohl zur Kontaktverfolgung als auch zur Durchführung von Tests.

Eine Umfrage des WDR ergab, dass mit Stand Ende August 2020 zwei Drittel der nordrhein-westfälischen Gesundheitsämter unbesetzte Stellen hatten. An der (negativen) Spitze lag dabei der Hochsauerlandkreis, in dem 31% der Arztstellen unbesetzt war, gefolgt vom Kreis Olpe (27%) und Duisburg (18%). 10 von 37 Gesundheitsämtern gaben an, aufgrund der Corona-Krise an der Belastungsgrenze zu stehen. Die Grünen forderten Landeshilfen für die Kommunen, damit die Personalvorgaben von Bund und Land dort auch umgesetzt werden können.

Berlin: Mustergesundheitsamt[Bearbeiten]

Die Organisationseinheiten für Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination des öffentlichen Gesundheitsdienstes (OE QPK) der Senatsverwaltung Berlin hat im Jahr 2011 unter dem Begriff "Mustergesundheitsamt" eine einheitliche Aufgaben- und Personalstruktur für die bezirklichen Gesundheitsämter entwickelt. Neben einem Organigramm werden dort z.B. auch Verfahren zur Sicherstellung der notwendigen Personal- und Sachmittelausstattung beschrieben. Der zweite Teil des Projektberichts beziffert entlang der Aufgaben auch das notwendige Personal.

  • Weblinks: Organisationseinheiten für Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination des öffentlichen Gesundheitsdienstes (OE QPK): Schlussbericht zum "Mustergesundheitsamt", Teil 1 und Teil 2 (Downloads im pdf-Format, 61 bzw. 90 Seiten)

Allerdings werden diese Vorgaben in der Praxis nicht annähernd erreicht, obwohl die Umsetzung im Koalitionsvertrag vereinbart war.[13] Nach einem Bericht der ÄrzteZeitung waren Mitte 2017 statt der nach dem Mustergesundheitsamt erforderlichen 1.806 Stellen im Öffentlichen Gesundheitsdienst Berlins in den Stellenplänen der Bezirke knapp 10% weniger Stellen, mithin ca. 1.630 Stellen vorgesehen, von denen 1.478 tatsächlich besetzt waren. Im Zeitraum April 2016 bis März 2017 verliefen von 84 Besetzungsverfahren nur 48 erfolgreich - bei 20% der Ausschreibungen ging gar keine qualifizierte Bewerbung ein, von den eingegangenen Bewerbungen entsprach ein Drittel nicht den Anforderungen.[14]

Spahn: 10-Punkte-Plan[Bearbeiten]

Zur Stärkung der Gesundheitsämter stellte Bundesgesundheitsminister Spahn am 20.04.2020 einen 10-Punkte-Plan vor. Danach soll in allen Gesundheitsämtern je 20.000 Einwohner*innen ein Team aus fünf Mitarbeiter*innen zur Nachverfolgung von Infektionsketten zur Verfügung stehen. Je Amt sollen 150.000 € zur Verbesserung der digitalen Infrastruktur bereitgestellt werden.[15]

Im September 2020 einigten sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern auf einen "Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst", der auch zur Stärkung und Modernisierung der kommunalen Gesundheitsämter dienen soll. Der Bund stellt hierfür 4 Mrd. € bereit.

Software SORMAS für Kontaktnachverfolgung[Bearbeiten]

Für die bessere Kontaktnachverfolgung in der Corona-Pandemie entwickelte das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig eine neue Software unter dem Namen SORMAS-ÖGD (Surveillance, Outbreak Response Management and Analysis System).[16] Die Software soll zudem den Datenaustausch der Gesundheitsämter untereinander und mit den Landesbehörden vereinfachen und beschleunigen. In den ersten Monaten verlief die Umstellung schleppend; vielen Gesundheitsämtern fehlten unter der täglichen Belastung der Pandemie Personal und Zeit, um die neue Software zu installieren, in Betrieb zu nehmen und die notwendigen Daten in die neue Software zu übertragen. Zwar haben (Stand Mitte März 2021) ca. 300 Gesundheitsämter, also rund 80% der Ämter, SORMAS installiert, doch viele zögern noch mit der Inbetriebnahme. Erwin Rüddel, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag, ist überzeugt, dass die Umstellung machbar ist: "Innerhalb von nur zwei Tagen kann alles umgesetzt werden". Doch viele Gesundheitsämter sehen größere Probleme: "Wir müssten alle 140 Mitarbeiter jetzt komplett umschulen, alle Prozesse neu anpassen, das ist im Moment einfach nicht durchführbar", sagte Stephan Ott, Leiter des Krisenstabs des Kreises Rendsburg-Eckernförde (Schleswig-Holstein) dem NDR. Rüddel brachte den Vorschlag ins Gespräch, Gesundheitsämtern, die SORMAS nicht verwenden, die finanzielle Unterstützung des Bundes zu entziehen. Gegenüber der Zeitschrift KOMMUNAL reagierte darauf der Bürgermeister der Gemeinde Ditfurt im Harz (Sachsen-Anhalt), Matthias Hellmann: "Sormas wird verweigert, weil das Programm viel zu umständlich ist und den Prozess eher verlängert als unterstützt. Die Herrschaften sollten sich mal bei ihren Landratsämtern informieren."[17]

Ende Juni 2021 wurde bekannt, dass das Land Rheinland-Pfalz die Nutzung von Sormas für seine Kommunen zur Pflicht machen will.[18] Zeitgleich forderte auch das Land NRW die Gesundheitsämter auf, den digitalen Datenaustausch bis Ende September 2021 flächendeckend sicherzustellen, ohne jedoch eine Rechtspflicht zur Einführung von Sormas einzuführen. Der Städtetag NRW warnte vor einer Einführung der Software mit der "Brechstange". Viele Städte hätten bereits erprobte digitale Systeme. Der Hauptgeschäftsführer des nordrhein-westfälischen Landkreistags, Martin Klein, forderte, wenn das Land die Einführung von Sormas verpflichtend vorschreiben wolle, müsse es auch die Kosten dafür übernehmen.[19]

Software SurvNet für Fallzahlenübermittlung[Bearbeiten]

Für die Übermittlung von aktuellen Fallzahlen über die Landesgesundheitsämter an das Robert-Koch-Institut nutzen die Gesundheitsämter die Software SurvNet, die vom RKI kostenlos zur Verfügung gestellt wird. In der ansteigenden Omikron-Welle im Januar 2022 zeigt sich, dass diese Software bei hoher Belastung nicht störungsfrei funktioniert. Das gefährdet zunehmend die zeitnahe Übermittlung von Daten, die Inzidenzen werden dadurch zu niedrig ausgewiesen. Die verspätete Übermittlung von Daten liegt allerdings teilweise auch in der personellen Überlastung der Gesundheitsämter begründet. Das RKI kündigte an, die Software verbessern zu wollen.[20]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Eine solche Doppelspitze wird nach Pannen bei der Übermittlung von Infektionszahlen in Nürnberg installiert; Zeit, Gesundheitsamt wird nach Corona-Datenpannen umstrukturiert, 19.05.2021
  2. Zu den tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben der Gesundheitsämter siehe auch die Grafik in: Poppe, Starke, Kuhn: Personalstruktur an den Gesundheitsämtern in Deutschland (2016, pdf-Format, 1 Seite)
  3. Die beispielhafte Aufzählung wurde dem GDG Schleswig-Holstein entnommen
  4. Eine umfassende Aufzählung findet sich in der wikipedia: Gesundheitsamt
  5. Bundesverband der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst, zitiert nach: Berufsverband Deutscher Internisten, s. nächste Fußnote
  6. Berufsverband Deutscher Internisten: Personalmangel: Öffentlicher Gesundheitsdienst schlägt Alarm, 27.04.2015
  7. So berichtet der Tagesspiegel im Oktober 2017, dass in den 12 Berliner Gesundheitsämtern von 1.630 Planstellen 1.480 besetzt waren; benötigt würden jedoch bis 2019 2.033 Vollzeitstellen. Von 315 Stellen für Ärzt*innen waren zu diesem Zeitpunkt fast 50 unbesetzt. Tagesspiegel: Berlin sucht dringend Ärzte für Gesundheitsämter, 24.10.2017. In Sachsen-Anhalt sind aktuell von 88 Arztstellen in den Gesundheitsämtern 22 unbesetzt; Volksstimme, Zahlreiche Arztstellen im Land unbesetzt, 08.03.2020. Vgl. zu NRW: Süddeutsche Zeitung, In NRW-Gesundheitsämtern fehlen Ärzte: "Sind handlungsfähig", 02.03.2020; zu Sachsen-Anhalt: Süddeutsche Zeitung, Gesundheitsämtern fehlen Mediziner: 32 von 88 Stellen frei, 08.03.2020
  8. taz, In den Händen überforderter Ämter, 10.03.2020
  9. Siehe dazu auch: Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Kasseler Appell vom 04.04.2019: "Weiteres Ausbluten der Gesundheitsämter muss gestoppt werden!" Der Ärztemangel in Gesundheitsämtern dürfte sich durch den demografischen Wandel (mehr Pensionierungen als Neueinstellungen) noch verschärfen; siehe das Beispiel Sachsen-Anhalt: mdr, Gesundheitsämter finden keine Nachwuchs-Ärzte, 09.07.2022. Siehe auch den Artikel: Ärztemangel
  10. Deutscher Städtetag: Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy: "Kommunale Gesundheitsämter sind gefordert, aber nicht überfordert", Pressemitteilung vom 05.08.2020; siehe dazu auch: DEMO, Kommunen sehen Gesundheitsämter personell gut gerüstet, 06.08.2020
  11. Landesregierung Rheinland-Pfalz: Die Quote für den öffentlichen Gesundheitsdienst; das entsprechende Gesetz trat im Oktober 2019 in Kraft.
  12. Siehe dazu: Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes: Corona Pandemie – Gesundheitsamt braucht mehr Personal, 17.04.2020
  13. Siehe SPD, Linke, Grüne: Berlin gemeinsam gestalten. Solidarisch. Nachhaltig. Weltoffen., Koalitionsvereinbarung 2016-2021, Seite 166
  14. ÄrzteZeitung, 151 unbesetzte Stellen in Berlin, 01.06.2017. Siehe zum aktuellen Personalbedarf detailliert: Tagesspiegel, Berlins Gesundheitsämter brauchen 500 Fachkräfte, 28.05.2020
  15. YouTube-Video mit der Pressemitteilung: Corona-10-Punkte-Plan vom 20.04.2020
  16. Siehe Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH (HZI): SORMAS-ÖGD mit vielen weiteren Materialien
  17. KOMMUNAL: Sormas-Verweigerung: Gesundheitspolitiker droht Kommunen mit Sanktionen, 12.03.2021; KOMMUNAL, Kontaktnachverfolgung: Rennen um die beste Warn-App läuft, 12.03.2021; NDR, Kontaktverfolgung mit neuer Software: Viele Kommunen zögern, 18.02.2021
  18. RP online: Land macht Corona-Software Sormas-X für Kommunen und Kreise zur Pflicht, 29.06.2021; Artikel steht hinter einer Bezahlschranke.
  19. Zeit, Frist für Kommunen für Vernetzung der Gesundheitsämter, 01.07.2021
  20. Golem, RKI will Corona-Meldesoftware verbessern, 27.01.2022

Weblinks[Bearbeiten]

Literaturhinweis[Bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten]