Kommunalwahlen in Bayern 2014

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Zwei Landräte, 14 BürgermeisterInnen und 50 % mehr Mandate, das ist die phänomenale Bilanz der Kommunalwahlen, die im März in Bayern stattgefunden haben. Das ehrgeizige Wahlziel wurde gemeistert, die Anzahl der Mandate wie angestrebt von 1.200 auf 1.800 erhöht.

Grün gewinnt[Bearbeiten]

Landesweit erreichten die Grünen mit reingrünen Listen und mit gemeinsamen Listen mit anderen (z. B. Grüne/Alternative) in den Landkreisen und kreisfreien Städten 10,9 % und damit zwei Prozentpunkte mehr als bei der Wahl vor sechs Jahren. Die CSU konnte ihren großen Ankündigungen nicht gerecht werden und rutschte sogar unter 40 % (-0,4 %), auch die SPD musste nochmals Federn lassen und erreichte nur 20,7 % (-1,9 %). Dabei gewinnt die CSU auf dem Land und verliert in den Städten, bei der SPD ist es umgekehrt. Das spiegelt sich auch bei der Wahl der Landräte und Oberbürgermeister wieder. Während hier die CSU ihre Bastionen auf dem Land ausweiten konnte, gelang dies der SPD in den Großstädten.

Die normalerweise im Freistaat lokalpolitisch starken Wählergruppen und seit dieser Wahl auch als Partei angetretenen Freien Wähler erzielten zusammen 20,4 % (davon Wählergruppen 15,3 %, die Partei Freie Wähler 5,1 %) und legten in der Summe 1,4 Prozentpunkte zu. Die FDP liegt bei 2,7 % (-1,5 %). Traditionell in Bayern relativ stark ist nach wie vor die ÖDP mit 3,1 % (+0,3 %). Die Linke, die Piraten und die Alternative für Deutschland (AfD) spielen keine Rolle, sind aber in einigen Kreisen bzw. Städten dennoch vertreten: Linke bayernweit mit 22 Mandaten, AfD mit acht und die Piraten mit drei.

25 % mehr Stimmen, 50 % mehr Mandate[Bearbeiten]

Dass bei einem Plus der Grünen von „nur“ 25 % beim Stimmenanteil ein Plus von 50 % bei den Mandaten zu verzeichnen ist, hat insbesondere zwei Gründe: zum einen sind in vielen kreisangehörigen Gemeinden grüne Listen zum ersten Mal zur Wahl angetreten, zum anderen wurde bei dieser Wahl erstmals das Hare-Niemeyer-Verfahren zur Berechnung der Sitzverteilung im Rat angewandt, welches die Kleinen nicht mehr benachteiligt.

Besonders erfolgreich: Kreis Freising, Bamberg & Grafing[Bearbeiten]

Fast überall – bei nur wenigen Ausnahmen – gab es Zuwächse, sowohl bei den Stimmen, als auch bei den Mandaten. Dort, wo Grüne erstmals angetreten sind, konnten gleich aus dem Stand heraus ein, zwei oder gleich drei Sitze errungen werden. Über ein besonders gutes Abschneiden dürfen sich die Grünen im Landkreis Freising mit 19,44 % freuen und bei den kreisfreien Städten die GAL in Bamberg mit 18,6 %. Bei den kreisangehörigen Gemeinden steht Grafing mit 22,4 % an der Spitze.

Von den sechs amtierenden BürgermeisterInnen, die erneut angetreten sind, wurden alle in ihrem Amt bestätigt. Hinzugekommen sind acht neugewählte und – was kaum jemand in Bayern für möglich gehalten hat – zwei grüne Landräte. Jens Marco Scherf denkbar knapp mit 50,05 % im Landkreis Miltenberg und Wolfgang Rzehak überraschend deutlich mit 53,6 % im Landkreis Miesbach. Kontinuität, Geradlinigkeit und ein reicher Schatz an kommunalpolitischer Erfahrung zahlten sich aus. Im Landkreis Miesbach kam hinzu, dass der amtierende CSU-Landrat, Jakob Kreidl, mit mehreren Skandälchen überregional für Aufsehen sorgte.

Inhalte haben’s schwer, gepunktet wird mit Sympathie[Bearbeiten]

Von örtlichen Besonderheiten abgesehen ist festzustellen, dass sich anscheinend immer weniger die Inhalte wahlentscheidend auswirken. Dagegen rücken Bekanntheitsgrade und Sympathiewerte immer stärker in den Vordergrund. Das bayerische Wahlsystem begünstigt mit der Möglichkeit des Panaschierens und des Kumulierens diesen Trend. Auch bei Grüns nimmt der Anteil der reinen ListenwählerInnen ab und es nehmen die auf Personen vergebenen Stimmen zu. Erfreulicherweise sind dadurch zwar landauf, landab viele grüne StimmenkönigInnen zu verzeichnen. Das macht aber auch deutlich, wie wichtig es ist, sich rechtzeitig um die Personalentwicklung zu kümmern. Mancherorts wurde dies anscheinend schon bei dieser Wahl berücksichtigt. Bereits bei den Listenaufstellungen hatten junge KandidatInnen aussichtsreiche Plätze erhalten und sie haben häufig den Einzug in die Räte und Kreistage auch geschafft. Damit dürfte sich nach dieser Wahl das Durchschnittsalter der grünen RätInnen in Bayern erfreulicherweise nach unten bewegt haben. Auch der Frauenanteil konnte sich leicht von 41,6 % auf nunmehr etwa 43 % steigern. Das ist zwar sicher noch ausbaufähig, aber im Vergleich zu den anderen Parteien liegen die Grünen hier nach wie vor an der Spitze.

Wahlbeteiligung auf historischem Tiefststand[Bearbeiten]

Erschütternd ist die Wahlbeteiligung. Nachdem bereits vor sechs Jahren nur 59,5 % zur Wahl gingen, rutschte die Wahlbeteiligung im März landesweit auf ein historisches Tief von nur noch 55,0 %. Besonders dramatisch zeigt sich die Entwicklung in den kreisfreien Städten, wo nur noch 43,5 % Interesse haben, durch ihr Kreuz bei den Stadtratswahlen die Stadtpolitik zu beeinflussen. Schon absolut grenzwertig: Bei der Stichwahl zur Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt München kamen nur noch 38,5 % der Wahlberechtigten.

Landesweit einheitliche Gründe für das Abschneiden bei den Kommunalwahlen lassen sich schwer ausfindig machen. Entscheidend sind natürlich immer die Gegebenheiten vor Ort. Aber allem Anschein nach hat diesmal alles zusammengepasst. Das Personalangebot aus einer guten Mischung an erfahrenen, altgedienten – und damit auch bekannten – KommunalpolitikerInnen und jungen KandidatInnen, die auch die nötige Spritzigkeit in den Wahlkampf brachten. In den Städten und größeren Gemeinden tun sich die Grünen dabei nach wie vor leichter als auf dem Land. Aber es gibt auch mehr und mehr kleinere Gemeinden, in denen die Grünen punkten. Und das ist insofern wichtig, weil nur dort, wo Grüne auch mit eigenen Listen bei den Gemeinderatswahlen antreten, auch gute Ergebnisse für die Kreistagswahlen eingefahren werden.

Drunt’ in der grünen Au... ein Beispiel für den grünen Erfolg[Bearbeiten]

Beispielhaft für viele andere sei hier der Ort Au in der Hallertau, eine Gemeinde mit 5.600 EinwohnerInnen im oberbayerischen Landkreis Freising, erwähnt. Hier gründete sich vor fünf Jahren erstmals ein grüner Ortsverband. Kontinuierliche Arbeit vor Ort, die auch entsprechend kommuniziert wurde, ließ die Zahl der Mitglieder auf elf ansteigen. Am 16. März 2014 erreichten die Grünen dort aus dem Stand 18,32 % und ergatterten vier von 20 Gemeinderatssitzen. Gleichzeitig konnten sie dadurch der Kreistagsliste insgesamt knapp 9.000 Stimmen mehr bringen als vor sechs Jahren. Mag der Landkreis Freising wegen des drohenden Flughafenausbaus auch eine Besonderheit darstellen, so sind solche Beispiele – wenn auch nicht in dieser Höhe – in vielen Landkreisen Bayerns zu finden.

Unterstützt wurden die Kreis- und Ortsverbände durch ein breites Bildungsangebot der Petra-Kelly-Stiftung in Zusammenarbeit mit der kommunalpolitischen Vereinigung GRIBS, darunter viele Einführungsseminare und eine umfangreiche Einführungsbroschüre. Der Landesverband begleitete die Wahl mit einer einheitlichen Wahlkampflinie, die – unterlegt mit grünen Inhalten zu kommunalpolitischen Themen – auf den grünen Aufbruch zielte. „Zeit für Grün“ und „Zeit, dass es grün wird“. Das Wahlergebnis zeigt: Bayern ist zumindest ein Stückchen grüner geworden.

Trotz aller Freude sind noch einige Herausforderungen zu meistern. So stehen in einigen Städten Koalitionsverhandlungen an, die durch das Ergebnis nicht unbedingt leichter wurden. Vor allem wegen der doch erheblichen Stimmenverluste der SPD in München ist die Fortführung der seit 24 Jahren existierenden rot-grünen Koalition unsicher geworden. Alleine reicht es beiden Parteien nicht mehr zu einer Mehrheit und die Kleinen in eine gemeinsame Koalition einzubinden, ist kein leichtes Unterfangen. Der aktuelle Stand (10.4.2014) ist, dass es zumindest mit den Linken – vermutlich eher aus persönlichen Gründen – zu keiner dauerhaften Zusammenarbeit in München kommen wird. Koalitionsgespräche mit komplett offenem Ausgang laufen derzeit noch in den großen Städten Nürnberg und Augsburg.

Alles in allem kann die Bayernwahl als gelungener Auftakt des Wahljahrs 2014 gesehen werden. Für die bevorstehende Europawahl und vor allem für die anstehenden Kommunalwahlen in den anderen Bundesländern bedeutet das bayerische Resultat in jedem Fall einen enormen Auftrieb.

Der Autor[Bearbeiten]

Peter Gack (55) ist Geschäftsführer der kommunalpolitischen Vereinigung Grüne und Alternative in den Räten Bayerns (GRIBS) und langjähriger GAL-Stadtrat in Bamberg.

Quelle[Bearbeiten]

Entnommen aus: AKP 3/2014, S. 24

Siehe auch[Bearbeiten]