Anleihe

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Neben dem klassischen Kommunalkredit und dem Schuldschein können Kommunen auch Anleihen auflegen, um am Kreditmarkt Finanzierungsmittel zu beschaffen. Seitdem einige Banken - nicht zuletzt aufgrund schärferer Bankenregulierung wie Basel III - die Kreditvergabe an Kommunen restriktiver handhaben, nimmt diese Form an Bedeutung zu. Auch kommunale Unternehmen können diese Möglichkeit nutzen.

Merkmale[Bearbeiten]

Eine Anleihe ist am Kapitalmarkt frei handelbar; daher erfordert die Ausgabe einer Anleihe zumindest bei kommunalen Unternehmen[1] einen Wertpapierprospekt und ist mit weiteren Kosten verbunden. Da dies - im Vergleich mit dem Schuldschein - mit erhöhtem Aufwand verbunden ist, lohnt eine Anleihe nur bei höheren Beträgen. Laut Fachpresse[2] kann eine Anleihe ab einem Volumen von ca. 10 Mio. € geeignet sein. Sie ist daher eher für größere Kommunen interessant; nicht selten legen auch mehrere Kommunen gemeinsam eine Anleihe auf. Wegen der Handelbarkeit der Anleihe ist dagegen der Aspekt einer Bindung von Einwohner/inne/n an die Gemeinde weniger tragend als beim Bürgerkredit.

Laut dem "Kommunal-Barometer 2021" der Commnex mit der TU Darmstadt[3] haben bis Ende 2020 3% der befragten Kommunen das Instrument der Anleihe bereits genutzt, 2% auch Schuldscheine - und weitere 7% nur Schuldscheine.

Kommunale Beispiele bis 2018[Bearbeiten]

  • Hannover gab 2009 eine Anleihe über 105 Mio. € aus (Laufzeit 10 Jahre, Zinssatz 3,645 % p.a.) und 2011 eine weitere über 75 Millionen Euro.[4]
  • Die Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft Saarbrücken mbH (VVS) gab eine Anleihe mit einem Volumen von 10 Mio. Euro aus (Laufzeit 10 Jahre, Zinssatz 4 % p.a.).[5]
  • Essen hat im Februar 2012 eine 200 Mio. Euro große Anleihe (Laufzeit 5 Jahre, Zinssatz 2,625 % p.a.) erfolgreich platziert.[6] Laut Handelsblatt nennt der Essener Kämmerer Klieve drei Gründe für die Anleihe: „Wir haben damit unsere Investorenbasis verbreitert, die Konditionen waren attraktiv, und es war positiv für das Image der Stadt“.[7]
  • Würzburg und Nürnberg legten im Frühjahr 2013 eine gemeinsame Anleihe über 100 Mio. € auf (davon 80 Mio. € für Würzburg; Laufzeit 10 Jahre, Zinssatz knapp unter 2 Prozent).[8]
  • Mainz gab im November 2013 eine Anleihe über 125 Millionen Euro heraus.[9]
  • Im Februar 2014 legten Dortmund, Essen, Herne, Remscheid, Solingen und Wuppertal gemeinsam eine "Ruhranleihe" über 400 Mio. € auf.[10]
  • Im November 2014 folgte Ludwigshafen mit einer Anleihe über 150 Millionen Euro.[11]
  • 2016 gab Bochum die erste Anleihe heraus, das Volumen war ursprünglich auf 100 Mio. € geplant und wurde wegen des großen Interesses - auch internationale Anleger konnten gewonnen werden - auf 115 Mio. € erhöht. Die Stadt bot eine Verzinsung von 1% bei einer Laufzeit von 10 Jahren.[12]
  • 2018 legten Bochum, Essen, Saarbrücken, Emden und Celle gemeinsam die "Deutsche Städteanleihe Nr. 1" über 200 Mio. € auf. Sie hätten den Betrag leicht aufstocken können, die Nachfrage belief sich auf 336 Mio. €. 14% des Ordervolumens entfiel auf ausländische Anleger.[13]

München: Anleihen 2020 und 2024[Bearbeiten]

Im Februar 2020 legte die Stadt München eine Anleihe auf, die zum Kauf von Wohnungen mit dem Ziel der Entspannung des Wohnungsmarktes genutzt werden soll. Eingesammelt wurden 120 Mio. € bei sehr geringer Rendite (unter 0,3%) und 10jähriger Laufzeit. Die Anleihe konnte neben institutionellen Anlegern auch von Privatpersonen gezeichnet werden; die Mittel fließen zunächst in gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte, falls Mittel übrig sind auch in Klimaschutzprogramme oder in den öffentlichen Nahverkehr; es handelt sich also um einen "Social Bond".

Im Jahr 2024 folgte eine weitere Anleihe, diesmal in einer Höhe von 300 Mio. €, die zur Finanzierung von Maßnahmen des ökologischen Bauens und der Verkehrswende bestimmt sind. Siehe dazu im Artikel Green Bonds.

Weblinks zum Münchner Social Bond[Bearbeiten]

Bochum: Anleihe über 250 Mio. €, November 2020[Bearbeiten]

Im November 2020 gab Bochum eine Anleihe über 250 Mio. € heraus bei einer Rendite nahe null. Ein höherer Betrag wäre möglich gewesen, die Nachfrage lag bei 400 Mio. €. Das Papier wurde hauptsächlich von deutschen Banken und Sparkassen gezeichnet, es fanden sich jedoch auch - wie bei der ersten Bochumer Anleihe - internationale Interessenten.[14]

Berlin: Kommunale Wohnungsbaugesellschaft mit "Sozialanleihe"[Bearbeiten]

Die Gewobag Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Berlin hat im Juni 2021 eine Anleihe in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro auf dem Kapitalmarkt begeben. Sie bezeichnet diese Anleihe als "Social Bond", da sie dazu bestimmt ist, preiswerten Wohnraum zu schaffen. Die Anleihe hat eine Laufzeit von 6 Jahren mit einem Kupon von 0,125 Prozent. Das Interesse der Anleger in die Emission war groß, das Orderbuch wurde 2,8-fach überzeichnet.[15]

Berlin: "Nachhaltigkeitsanleihe" 2022[Bearbeiten]

Berlin gab Anfang Februar 2023 eine erste "Nachhaltigkeitsanleihe" mit einem Volumen von 750 Mio. € heraus; die Anleihe mit einem Nominalzins von 2,75% war siebenfach überzeichnet. Sie ist zur Finanzierung von 18 ökologisch und 18 sozial nachhaltigen Projekten bestimmt, beispielsweise den Ausbau der E-Busflotte, das Mischwaldprogramm sowie kostenloses Schulessen für Berliner Schüler. Weitere ähnliche Anleihen sind geplant.[16]

Köln plant "Green Bonds"[Bearbeiten]

Die Stadt Köln arbeitet im Rahmen ihres „Green New Deal“ an einem Konzept für "Green Bonds". Im Dezember 2022 legte die Kämmerin Dörte Diemert dem Finanzausschuss Untersuchungsergebnisse zu „Green Bonds“ als Finanzierungsinstrument vor.

Lugano: Rein digitale Anleihe 2023[Bearbeiten]

Die Stadt Lugano (Tessin, Schweiz) hat Anfang 2023 als vielleicht erste Kommune in Europa eine rein digital emittierte, notierte und gehandelte Anleihe herausgegeben. Sie basiert auf der Blockchain-Technologie[17], der Kupon (jährlicher Zins) beträgt 1,625 Prozent. Platziert wurde sie auf der digitalen Plattform der SIX Digital Exchange (SDX), daneben ist sie auch bei der SIX Swiss Exchange notiert.[18]

Kommunale Finanzagentur[Bearbeiten]

Eine kommunale Finanzagentur könnte ein Instrument sein, um kommunale Nachfrage nach Anleihen zu bündeln und dies Instrument auch kleineren Kommunen zu eröffnen. In Deutschland gibt es jedoch zurzeit keine von Kommunen oder ihren Spitzenverbänden getragene Finanzagentur. Siehe hierzu den Artikel Kommunale Finanzagentur.

EZB prüft Kauf kommunaler Anleihen[Bearbeiten]

Presseberichten zufolge[19] prüft die Europäische Zentralbank, im Rahmen ihres Ankaufprogramms für Staatsanleihen auch Anleihen von Regionen und Kommunen zu erwerben. Dies könnte Kommunen in Spanien und Italien, aber möglicherweise auch deutsche Bundesländer betreffen. Nach Einschätzung der Thomson-Reuters-Tochter IFR sind Bonds europäischer Städte und Regionen im Volumen von 500 Milliarden Dollar im Umlauf. 2014 haben Regionen Anleihen über mehr als 76 Milliarden Dollar begeben. Die Stadt Paris hat auf diesem Wege etwa vier Milliarden Euro eingesammelt.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. laut Publicus (Boorberg-Verlag), Bürgerdarlehen stärken Unabhängigkeit - Finanzierungsalternativen für Kommunen und öffentliche Unternehmen (2012) ist bei Gebietskörperschaften ein Prospekt entbehrlich.
  2. z. B. Publicus, s. o.
  3. Commnex und TU Darmstdt, Kommunal-Barometer 2021, März 2021, S. 57. Das Kommunal-Barometer kann kostenlos hier bestellt werden (pdf-Format, 57 Seiten)
  4. Publicus, s. o.; Helmut Dedy, Soll die Anleihe den Kommunalkredit ersetzen? Aktuelle Entwicklungen bei der Kommunalfinanzierung, in: städtetag aktuell 2/2014, S. 7-9
  5. Publicus, s. o.
  6. Publicus, s. o.
  7. Handelsblatt, Städte suchen neue Geldquellen, 08.03.2010
  8. Zeit online, Eine neue Quelle, 3.11.2013; Helmut Dedy, Soll die Anleihe den Kommunalkredit ersetzen? Aktuelle Entwicklungen bei der Kommunalfinanzierung, in: städtetag aktuell 2/2014, S. 7-9
  9. Focus regional, Auch Ludwigshafen holt sich Geld über Anleihe, 27.11.2014
  10. Helmut Dedy, Soll die Anleihe den Kommunalkredit ersetzen? Aktuelle Entwicklungen bei der Kommunalfinanzierung, in: städtetag aktuell 2/2014, S. 7-9
  11. Focus regional, s. o.
  12. Der Neue Kämmerer, Stadt Bochum legt erste eigene Anleihe auf, 25.06.2020
  13. Der Neue Kämmerer, Die deutsche Städteanleihe feiert Premiere, 28.11.2018
  14. Der Neue Kämmerer, Stadt Bochum emittiert Rekord-Anleihe, 13.11.2020
  15. Gewobag, Gewobag gibt erstmalig Social-Bond in Höhe von 500 Millionen Euro aus, 18.06.2021; Der Neue Kämmerer, Social-Bond für Wohnungsbau in Berlin, 24.06.2021
  16. Senatsverwaltung für Finanzen Berlin: Erste Nachhaltigkeitsanleihe des Landes Berlin; siehe auch Der Neue Kämmerer: Land Berlin emittiert erste Nachhaltigkeitsanleihe, 16.02.2023
  17. "Blockchain ist eine technische Lösung, um Daten in einer verteilten Infrastruktur ohne zentrale Instanz nachvollziehbar und manipulationssicher im Konsens zu verwalten. Mit Blockchain ist es möglich, Transaktionen (zum Beispiel im Zahlungsverkehr mit Kryptowährungen) ohne zentrale Instanz vertrauensvoll und transparent zu verifizieren." (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, siehe hier). Siehe zur Blockchain-Technologie auch: Der Neue Kämmerer, Blockchain ist für die Verwaltung immer noch Neuland, 11.02.2019. Auch wenn die Blockchain-Technologie durch Kryptowährungen bekannt wurde, hat die Luganer Anleihe nichts mit Kryptowährungen zu tun.
  18. Der Neue Kämmerer, Lugano platziert Blockchain-Anleihe, 10.03.2023
  19. siehe z. B. finanzen.net, EZB prüft laut Insidern Kauf von Anleihen der Kommunen, 11.11.2015

Weblinks[Bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten]