Gemeindefinanzen 2019

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Optimistische Zahlen, ungelöste Fragen[Bearbeiten]

Auch 2019 erzielen die Kommunen bundesweit voraussichtlich Überschüsse – im Durchschnitt. Weiterhin hilft dies den meisten der chronisch unterfinanzierten und überschuldeten Städten nicht weiter. Immer noch gibt es große Rückstände bei den Investitionen, die sich sogar noch verschlimmern. Die Zukunft der Grundsteuer ist weiterhin offen. Und, so positiv die Konjunkturdaten auch sind: Die nächste Krise kommt bestimmt.

Der Städtetag erwartet für 2019 bei den Einnahmen ein Wachstum von 3,5 Prozent, bei den Ausgaben jedoch von 4,7 Prozent – logischerweise sinkt damit der bundesweit erzielte Überschuss von 7,6 Milliarden Euro 2018 auf fünf Milliarden Euro im neuen Jahr. Bei den Einnahmen wird das Wachstum vor allem von den Steuern – insbesondere der Einkommensteuer – getragen. Bei den Ausgaben spielen Personal, Sachmittel und soziale Leistungen gleichermaßen eine Rolle, vor allem jedoch sollen die Investitionen ansteigen, nämlich um mehr als sieben Prozent. Dies wird jedoch vor allem von Zuweisungen getragen; die Investitionszuschüsse von Bund und Ländern steigen um 13 Prozent.

Investitionsrückstände trotz Überschüssen[Bearbeiten]

Dies ist auch dringend notwendig. Nach der Erhebung des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) im Auftrag der KfW-Bank beziffern die Kommunen selbst ihren Investitionsrückstand nunmehr auf 159 Milliarden Euro, erheblich mehr als noch im Vorjahr (126 Milliarden Euro). Scheinbar paradox, erzielten doch die Kommunen auch in den Jahren 2016 und 2017 erhebliche Überschüsse mit 6,4 beziehungsweise 9,7 Milliarden Euro. Dass dennoch der Rückstand wächst, liegt zum einen daran, dass von den Kommunen weiter wachsende Bedarfe gesehen werden: beim Wohnungsbau, der Verkehrsinfrastruktur oder der Bildung beispielsweise. Hierzu hat auch der Zuzug von Geflüchteten beigetragen.

Gewichtiger sind aber die vielfältigen Investitionshemmnisse jenseits der Finanzausstattung. So sind die Baukosten im Zuge der starken Konjunktur enorm gestiegen; dies lässt den Finanzbedarf auch ohne Planungsänderung anwachsen und bewegt zugleich einige Kommunen, mit der Auftragsvergabe noch abzuwarten. Weil das Baugewerbe ausgelastet ist, findet sich für manche Vorhaben gar kein Auftragnehmer mehr. Auch die Planungs- und Steuerungskapazitäten der Kommunen haben in den zwei Jahrzehnten des Sparens erheblich gelitten, die Bauämter sind personell ausgedünnt. So können gar nicht alle Vorhaben schnell umgesetzt oder gar neue geplant werden. Und solange es vom Bund zwar immer mehr, doch ausschließlich zeitlich befristete Zuschüsse gibt, fehlt den Kommunen die verlässliche Perspektive, die sie zum Aufbau entsprechender eigener Kapazitäten brauchen. All diese Gründe führen dazu, dass viele Mittel zum Beispiel nach dem Investitionsfördergesetz oder aus den Verhandlungen der Dieselgipfel bisher nur zu kleinen Teilen abgerufen wurden.

Disparitäten manifestieren sich[Bearbeiten]

Viele Kommunen können den Investitionsrückstand auch deshalb nicht aufholen, weil ihnen dafür die Mittel fehlen. Insofern täuschen die Durchschnittszahlen, denn hinter ihnen verbergen sich enorme Unterschiede. Dies hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung 2015 dargelegt (siehe unter "Quellen"): Eine durchschnittliche Kommune in Bayern konnte jährlich 469 Euro pro Kopf investieren, eine in Mecklenburg-Vorpommern nur 148 Euro. Für einzelne Kommunen sind diese Diskrepanzen noch größer: Während der Landkreis München 2013 pro Kopf der Bevölkerung 724 Euro investieren konnte, standen am anderen Ende der Skala in Wilhelmshaven nur 35 Euro zur Verfügung. Auch wenn diese Zahlen jetzt höher sein mögen, die Unterschiede bleiben und wachsen weiter.

Nicht weiter angestiegen sind die kommunalen Kassenkredite – die jedoch immer noch auf einem besorgniserregenden Niveau liegen. Vor zwei Jahren kratzten sie an der 50-Milliarden-Euro-Marke, um jetzt etwas zurückzugehen. Einige Kommunen konnten mit steigenden Einnahmen Schulden tilgen, anderen halfen Landesprogramme wie die sogenannte Hessenkasse. Dass die Kassenkredite nicht schneller abschmelzen, liegt vor allem daran, dass sie überwiegendvon armen Kommunen angehäuft wurden, bei denen aktuell steigende Einnahmen vielleicht zu geringeren Defiziten führen, nicht aber zu Überschüssen für die Schuldentilgung.

Ungewissheiten[Bearbeiten]

Zum Problem kann der vielerorts hohe Kassenkreditbestand dann werden, wenn die Zinsen wieder ansteigen. Das wird für 2019 noch nicht erwartet, ist aber ab 2020 nicht unrealistisch. Steigen die Zinsen nur um ein Prozent, kostet das die betroffenen Kommunen – und das sind die überschuldeten – eine halbe Milliarde Euro im Jahr. Ganz abgesehen davon, dass weder die USA noch die EU aus der Finanzkrise seit 2008 die notwendigen Konsequenzen gezogen haben, sodass eine neue Krise durchaus möglich ist. Ein weiterer Anstieg der Steuereinnahmen ist für die Jahre ab 2020 prognostiziert, aber nicht sicher.

Grundsteuerreform lässt auf sich warten[Bearbeiten]

Und weiterhin ist offen, wie die Grundsteuer reformiert werden soll. Dabei hatten sich die Länder schon vor Jahren auf ein gemeinsames Modell geeinigt, dem sich auch die Grünen, entgegen den Vorschlägen des Deutschen Instituts für Urbanistik und den Forderungen der Naturschutzverbände, angeschlossen haben. Trotzdem bringt die Bundesregierung nach längerer interner Diskussion wieder neue Konzepte ins Gespräch.[1] Dabei geht es nicht nur darum, wie die Steuerlast auf Grundstücke und Gebäude und damit auch zwischen Stadt und Land verteilt wird; für die Kommunen ist auch wichtig, welcher Verwaltungsaufwand zukünftig durch die reformierte Grundsteuer entsteht.

Ende des „Fonds Deutsche Einheit“[Bearbeiten]

Schließlich läuft 2019 der „Fonds Deutsche Einheit“ aus. Für die Kommunen bedeutet dies zunächst 2020 ein Plus im Haushalt, fällt doch die erhöhte Gewerbesteuerumlage weg, mit der sie an den Kosten beteiligt wurden. Doch noch ist offen, was an dessen Stelle tritt. Denn klar ist, dass auch in Zukunft struktur- und wirtschaftsschwache Regionen unterstützt werden müssen, unabhängig davon, ob sie in den alten oder den neuen Ländern liegen. Die Grünen im Bundestag fordern neben einem Altschuldentilgungsfonds für hoch verschuldete Kommunen eine neue „Gemeinschaftsaufgabe regionale Daseinsvorsorge“[2], die jedoch im Detail eine Vielzahl von rechtlichen, teilweise auch verfassungsrechtlichen Fragen aufwirft. Jedoch bleibt es dabei: Solange es nicht flächendeckend starke Kommunen gibt, solange die politische Handlungsfähigkeit vor Ort eingeschränkt ist, unterhöhlt dies die Verankerung der Demokratie in der Gesellschaft.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Siehe dazu auch: Stefan Schmidt, "Die Stiefkinder der Grundsteuerreform: WUM und WAM", AKP 1/2019, S. 7
  2. Siehe hierzu auch den Vorschlag der Fachkommission "Räumliche Ungleichheit" der Heinrich-Böll-Stiftung: Neue Gemeinschaftsaufgabe regionale Daseinsvorsorge einführen (05.09.2017)

Aktuelle Quellen zum Stand der Gemeindefinanzen[Bearbeiten]

  • Deutscher Städtetag: Stadtfinanzen 2018. Nachdem bereits vor Jahren die Zeitschrift „Der Städtetag“ endgültig eingestellt wurde, gibt es seit 2018 auch keinen Gemeindefinanzbericht mehr. Er wird ersetzt durch eine 15-seitige Broschüre „Stadtfinanzen 2018 – Schlaglichter des Deutschen Städtetages“, die den bisherigen Zusammenfassungen des Gemeindefinanzberichtes ähnelt. Die Tabellen darin sind – wie die öffentliche Finanzstatistik – weiterhin kameralistisch orientiert, betrachten also nur Geldflüsse, keine Kapitalbestände oder -veränderungen wie zum Beispiel Abschreibungen. Sie folgen damit einer anderen Logik als die überwiegend doppisch strukturierten Kommunalhaushalte.
  • Das KfW-Kommunalpanel 2018 (pdfFormat, 43 Seiten), erstellt vom Deutschen Institut für Urbanistik, beruht auf Befragungen der Kämmereien von Landkreisen, Städten und Gemeinden. Es nimmt vor allem die Investitionen in den Fokus.
  • Ernst & Young: Kommunenstudie 2018 (pdf-format, 30 Seiten). Die „Kommunenstudie 2018“ der Unternehmensberatung Ernst & Young basiert ebenfalls auf Befragungen und konzentriert sich auf die Entwicklung der kommunalen Schulden.
  • Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Wochenbericht 43/2015 "Große regionale Disparitäten bei den kommunalen Investitionen" (pdf-Format, 12 Seiten). Weiterhin lesenswert, weil hier die großen Disparitäten der Kommunalfinanzen zwischen den Regionen und Ländern und ihre zeitliche Entwicklung näher untersucht werden.

Siehe auch[Bearbeiten]


Der vorstehende Text von Wolfgang Pohl erscheint in der "Alternativen Kommunalpolitik" Nr. 1/2019, S. 48-50. Er wurde für die Online-Veröffentlichung geringfügig überarbeitet.