Sondervermögen "Hessens gute Zukunft sichern"

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Dieser Artikel behandelt die Hilfen des Landes Hessen an die Kommunen zur Überwindung der Corona-bedingten Finanzkrise. Zu den Auswirkungen der Pandemie auf die Gemeindefinanzen und dem Konjunkturprogramm des Bundes im Jahr 2020 siehe den Artikel Corona und die Folgen – neue Finanzkrise und Bundeshilfen.

Finanzkrise und erste Hilfen[Bearbeiten]

Die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise haben insbesondere gewerbesteuerstarke Städte getroffen. Allein in Frankfurt am Main wurde im April 2020 ein Gewerbesteuerausfall von ca. 1 Mrd. € erwartet; die Gewerbesteuer macht hier mit ca. 2 Mrd. € jährlich fast die Hälfte der kommunalen Einnahmen aus.[1] Bis zum Herbst zeichnete sich allerdings ab, dass der Verlust für Frankfurt nur bei etwa einer halben Mrd. € liegen dürfte, für alle hessischen Kommunen zusammen bei einer Mrd. € (das Gesamtaufkommen der Gewerbesteuer in Hessen lag 2019 bei 5,4 Mrd. €).[2]

Das Land Hessen leistete zunächst Liquiditätshilfen: Im April 2020 wurden 100 Mio. € bereitgestellt. Der kommunale Anteil an den Gemeinschaftsteuern wurde einige Tage früher als üblich ausgezahlt, außerdem wurden die Schlüsselzuweisungen für die Monate Juni und Juli bereits im Mai überwiesen, dadurch kamen rund 650 Mio. € vorzeitig bei den Kommunen an. Außerdem wurden die Regeln für Nachtragshaushalte und die Aufnahme von Kassenkrediten erleichtert. Die Kommunalaufsicht verzichtet darauf, Verstöße gegen die Vorschrift des Haushaltsausgleichs zu rügen oder die Erhöhung von Umlagesätzen oder Steuerhebesätzen zu verlangen. Weitere Hilfen sollten erst nach Vorliegen der Steuerschätzung, also Ende Mai diskutiert werden.[3]

Umfragen unter Kommunen[Bearbeiten]

Der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) befragte seine Mitgliedsgemeinden zu ihrer Haushaltssituation und legte Mitte Mai die Ergebnisse der Öffentlichkeit vor. Danach rechnete weniger als ein Viertel der hessischen Städte und Gemeinden 2020 noch mit einem ausgeglichenen Haushalt. Vor der Krise seien mehr als 80% der Kommunen davon ausgegangen, ihre Ausgaben mit laufenden Einnahmen decken zu können.[4] Laut einer weiteren, im Juni 2020 veröffentlichten Umfrage des Bundes der Steuerzahler rechneten 60 Prozent der Mittel- und Großstädte damit, dass mindestens ein Viertel ihrer Gewerbesteuern wegbricht. Auch weitere Steuerverluste und pandemiebedingte Belastungen z.B. bei Kitagebühren oder ÖPNV-Einnahmen wurden befürchtet. Jede dritte befragte Stadt plante eine Haushaltssperre, ähnlich viele einen Nachtragshaushalt.[5]

Im Dezember 2020 bezifferte das Statistische Landesamt die kommunalen Einnahmeverluste für die ersten drei Quartale 2020 auf etwa 1,5 Mrd. €. Davon entfiel eine halbe Mrd. € auf Frankfurt am Main, weitere 166 Mio. € auf die Städte Wiesbaden, Darmstadt und Offenbach. Landesweit seien die kommunalen Einnahmen in diesem Zeitraum um 4% gesunken, die Ausgaben zugleich um 7% gestiegen. Nur 26% der Kommunen haben in diesem Zeitraum noch einen Haushaltsüberschuss erzielt, der sich auf 353 Mio. € summierte.[6]

Änderungen bei der Hessenkasse[Bearbeiten]

In einer gemeinsamen Erklärung forderten der Landrat des Main-Kinzig-Kreises Thorsten Stolz und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky Anfang Juni 2020, die Hessenkasse neu zu diskutieren und die daraus resultierenden Belastungen für die Kommunen zu reduzieren: „Das Instrument der Hessenkasse wurden unter hervorragenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aufgelegt. Jetzt haben wir eine völlig andere Ausgangssituation, die berücksichtigt werden muss und genau deshalb müssen die Hessenkasse und die raus resultierenden Verpflichtungen für die Kommunen neu diskutiert werden“. Ohne solche Erleichterungen seien Kommunen gezwungen, Steuern und Gebühren anzuheben, was in der derzeitigen Situation kontraproduktiv sei.[7] Mit dem "Corona-Kommunalpaket", bekanntgegeben am 30.06.2020, entließ das Land alle noch verbliebenen Schutzschirm-Kommunen rückwirkend zum 31.12.2019 aus dem Schutzschirm und den damit verbundenen Verpflichtungen. Zugleich wurden die aufgrund der Hessenkasse zu zahlenden Raten für das Jahr 2020 halbiert, der Restbetrag wird allerdings nicht erlassen, sondern gestundet. Weiterhin wurden noch nicht abgerufene Mittel aus den Kommunalinvestitionsprogrammen des Landes an Kommunen und Krankenhausträger vorzeitig pauschal ausgezahlt. Schließlich wurden Auszahlungen aus den Gemeinschaftssteuern und dem kommunalen Finanzausgleich ebenfalls vorgezogen. Diese Maßnahmen stellen den Kommunen zusätzliche Liquidität zur Verfügung, verbessern ihre langfristige Haushaltslage aber nicht.[8]

Sondervermögen "Hessens gute Zukunft sichern"[Bearbeiten]

Erst nachdem der Bund sein Konjunkturpaket schnürte, brachte auch die hessische Landesregierung ein Hilfspaket auf den Weg. Von den rund 3,5 Mrd. €, die bei der Gewerbesteuer im Jahr 2020 voraussichtlich fehlen, will das Land einen Teil übernehmen. Bis zu 2,5 Mrd. €, verteilt auf vier Jahre, sollen bereitgestellt werden. Diese Mittel sind Teil eines schuldenfinanzierten Sondervermögens "Hessens gute Zukunft sichern" (zunächst auch als "Corona-Bewältigungsfonds Hessen" bezeichnet) des Landes mit einem Gesamtvolumen von bis zu 12 Mrd. €.; der für die Kommunen vorgesehene Anteil steht unter der Bezeichnung "Partnerschaft mit den Kommunen". Das Sondervermögen enthält daneben auch Fördermittel für Digitalisierung und Klimaschutz; allein 5 Mrd. € sind zum Ausgleich für Steuerverluste des Landes vorgesehen. Das Sondervermögen soll über 30 Jahre getilgt werden mit einer jährlichen Rate von anfangs 200 Mio. €, die schrittweise bis auf 400 Mio. € angehoben wird.

Das Gesetz, das Grundlage des Sondervermögens ist, wurde werbewirksam als "Gute-Zukunft-Sicherungsgesetz" bezeichnet.[9] Um die Kreditaufnahme zu ermöglichen, änderte der Landtag ein Gesetz, das für die Aufnahme neuer Schulden eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag vorsah; da nur die Regierungskoalition das Sondervermögen unterstützte, wäre eine solche Mehrheit nicht erreichbar gewesen. Der Landesrechnungshof sah das Vorhaben eines Sondervermögens kritisch und wollte die Hilfsgelder lieber im regulären Haushalt dargestellt sehen. Auch die Opposition kritisierte das Sondervermögen als "schuldenfinanzierten Schattenhaushalt". Das Sondervermögen wurde vom Landtag am 04.07.2020 von der schwarz-grünen Koalition gegen die Stimmen aller Oppositionsfraktionen beschlossen.[10]

Die Hilfsmaßnahmen im Detail[Bearbeiten]

Allein für den Ausgleich ausfallender Gewerbesteuereinnahmen stehen im Jahr 2020 1,213 Mrd. € zur Verfügung, davon 552 Mio. € aus dem Konjunkturprogramm des Bundes und 661 Mio. € vom Land. Diese werden nach einem nur teilweise vergangenheitsbezogenen Schlüssel verteilt: Er berücksichtigt zu gleichen Teilen die tatsächlichen Gewerbesteuereinnahmen der vergangenen Jahre und die ursprünglich erwarteten der ersten Jahreshälfte 2020.[11] Einen ersten Teilbetrag von 1,2 Mrd. € gab der Haushaltsausschuss des Landtages am 29.07.2020 frei.[12] Letztlich beläuft sich der für 2020 bereitstehende Betrag auf rund 3 Mrd. € einschließlich zusätzlicher Mittel zur Stützung des ÖPNV. Ein eigener Finanzposten in Höhe von 15 Mio. € für drei Jahre ist zur Unterstützung von Heilkurorten vorgesehen.[13] Weiterhin vereinbarten Land und Kommunen Anfang November 2020, den Kommunalen Finanzausgleich, der 2020 fast genau 6 Mrd. € umfasst, zu stabilisieren und - ungeachtet der Einnahmeverluste des Landes - bis 2024 um jährlich 112 Mio. € steigen zu lassen.[14] Daneben hat das Land aus dem Sondervermögen im Jahr 2021 knapp 500 Mio. € an die Kommunen gezahlt; damit sollen Bereiche wie Kinderbetreuung, Krankenhausinvestitionen, Digitalisierung sowie Schutzmaßnahmen in Schulen und Kitas unterstützt werden.[15] Im September 2020 forderte der hessische Städtetag, dass die gesamte für die "Partnerschaft mit den Kommunen" vorgesehene Summe von 2,5 Mrd. € den Kommunen bis 2024 tatsächlich zur Verfügung steht. Nicht für den Ausgleich fehlender Gewerbesteuer oder anderer Einnahmen benötigte Mittel sollten bis dahin zur Aufstockung des kommunalen Finanzausgleichs verwendet werden.[16]

Im September 2021 wurde bekanntgegeben, dass für 2022 aus dem Sondervermögen insgesamt 1,7 Mrd. € bereitgestellt werden sollen, davon 1,1 Mrd. € allgemeine Mittel, der Rest für den ÖPNV und Gesundheitsschutz. Bis dahin wurden bereits 5,9 Mrd. € ausgezahlt.[17]

Staatsgerichtshof Hessen: Sondervermögen verfassungswidrig[Bearbeiten]

Im November 2020 erhoben Landtagsabgeordnete der FDP und der SPD Normenkontrollklage gegen das Sondervermögen vor dem Staatsgerichtshof Hessen; im März 2021 stellte die AfD-Fraktion einen ähnlichen Antrag. Kritisiert wird die Form eines Sondervermögens außerhalb des Haushalts. Die AfD-Fraktion verlangte, bis zur Gerichtsentscheidung keine Beschlüsse im Finanzausschuss des Landtags über die Bereitstellung weiterer Mittel aus dem Sondervermögen zu fassen.[18]

Das Urteil des Staatsgerichtshofs von Ende Oktober 2021 gibt den Kläger*innen weitgehend Recht.[19] Das Verfassungsgericht des Landes sieht das Sondervermögen vor allem deshalb als verfassungswidrig an, weil dieses dem Einfluss des Landtags zu sehr entzogen ist und daher das Budgetrecht des Parlamentes nicht ausreichend gewahrt ist. Ein nichtrechtsfähiges Sondervermögen des Landes, so das Gericht, durchbricht die haushaltsverfassungsrechtlichen Grundsätze der Haushaltsvollständigkeit und Haushaltseinheit und ist daher nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Das ist der Fall bei "Sondervermögen mit einer leicht überschaubaren, eindeutigen Zwecksetzung sowie einer eindeutigen, abschließend bestimmten Mittelzuweisung, bei denen alle relevanten fiskalischen Entscheidungen bereits mit dem Akt der Errichtung des Sondervermögens durch das Parlament selbst getroffen werden". Die Zweckbestimmung muss im Gesetz selbst, nicht nur in der Gesetzesbegründung niedergelegt sein. Je größer der finanzielle Umfang des Sondervermögens, desto strenger sind diese Maßstäbe auszulegen, d.h. desto eindeutiger muss die Zwecksetzung und desto bestimmter die Mittelzuweisung sein. Das gilt, so der Staatsgerichtshof, erst recht, wenn das Sondervermögen kreditfinanziert ist. Immer geht es darum, dass die Abgeordneten des Landtags die Entscheidungen über die Mittelbeschaffung und -verwendung in der Hand behalten. Deshalb ist auch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss nur in gut begründeten Ausnahmefällen und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit erlaubt. Die Durchbrechung der Schuldenbremse ist grundsätzlich möglich, wenn z.B. eine Naturkatastrophe oder eine außergewöhnliche Notsituation dies erfordert; dabei hat der Gesetzgeber auch einen großen Beurteilungsspielraum.[20]

Diesen Anforderungen genügt das Sondervermögen "Hessens gute Zukunft sichern" nicht, denn, so das Gericht: "Eine substantielle Möglichkeit der Einflussnahme auf den Inhalt des Wirtschaftsplans und damit auf die konkrete Mittelverwendung besitzt der Hessische Landtag nicht." Er kann die Einnahmen und Ausgaben nur nachträglich im Wirtschaftsplan zur Kenntnis nehmen, aber nicht darüber entscheiden. Über Kreditaufnahmen für das Sondervermögen und Zahlungen aus dem Sondervermögen entscheidet das Finanzministerium, bei Ausgaben über 1 Mio. € zusätzlich der Haushaltsausschuss. "Die eigentliche Bewirtschaftung des Sondervermögens erfolgt ohne parlamentarische Kontrolle durch das Plenum." Die Zweckbestimmung der Mittel und die Maßnahmepakete sind im Gute-Zukunft-Sicherungsgesetz "überwiegend nicht konkret genug, um die Mittelverausgabung des Landes hinreichend zu steuern." Der Eingriff in das Budgetrecht wiegt aus Sicht des Staatsgerichtshof schwer, weil es um eine hohe Summe geht und weil diese ausschließlich über Kreditaufnahmen finanziert wird. Schließlich stellt das Gesetz nicht sicher, dass alle aus dem Sondervermögen finanzierten Maßnahmen wirklich dem Zweck dieses Sondervermögens dienen; der Maßnahmekatalog ist zu unbestimmt. Auch die Durchbrechung der Schuldenbremse ist im Gesetz nicht hinreichend begründet worden. Die Tilgungsfrist von 30 Jahren hält das Gericht jedoch für vertretbar.[21]

Im Ergebnis erklärt das Gericht das Sondervermögen sowie das Gesetz insgesamt für "nichtig bzw. unvereinbar mit der Hessischen Verfassung". "Rückabwicklungspflichten für bereits verausgabte Mittel ergeben sich hieraus nicht. Auch bleiben bereits nach dem Gute-Zukunft-Sicherungsgesetz bewilligte Maßnahmen und eingegangene Verpflichtungen von der Unvereinbarkeitserklärung unberührt." Der Gesetzgeber bekommt für eine Neuregelung eine Frist bis spätestens Ende März 2022; bis dahin dürfen auch weitere Maßnahmen aus dem Sondervermögen genehmigt und finanziert werden unter der Voraussetzung, dass sie einen eindeutigen Bezug zur Corona-Pandemie aufweisen.[22]

In einer Sondersitzung des Landtags Anfang November 2021 kündigte der hessische Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) an, die Coronahilfen künftig im Kernhaushalt abzubilden und das Sondervermögen aufzulösen. Die SPD-Fraktion verlangte als Konsequenz aus dem Urteil den Rücktritt des Finanzministers. Das Urteil hat möglicherweise auch Auswirkungen auf andere Bundesländer; so überprüfen jetzt auch Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen ihre Corona-Finanzhilfen, in Rheinland-Pfalz ist ohnehin ein Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig.[23]

Kommunen planen keine Steuererhöhungen[Bearbeiten]

Eine am 1. Juli 2020 veröffentlichte Umfrage des hessischen Bundes der Steuerzahler unter allen größeren Städten des Landes (ab 20.000 Ew.) ergab, dass keine von ihnen Steuererhöhungen als Reaktion auf die Corona-Krise plante. 38% sahen einen Nachtragshaushalt, weitere 33% Haushaltssperren vor. Je 13% verzichteten auf Neueinstellung oder hatten eine Kommission gebildet, in der Sparmaßnahmen geprüft werden sollten.[24]

Kommunen 2020 mit leichtem Überschuss[Bearbeiten]

Auch in Hessen fielen den Steuereinbrüche im Jahr 2020 nicht ganz so stark aus wie ursprünglich befürchtet. Mitte März 2021 stellte das Statistische Landesamt fest, dass die Kommunen dank der Bundes- und Landeshilfen insgesamt einen Überschuss von 295 Mio. € verzeichnet hatten. Ohne die Finanzhilfen hätte das Defizit 918 Mio. € betragen. Hinter dem Saldo verbergen sich allerdings große Unterschiede. So erzielte Kassel mit 103 Mio. € den höchsten Überschuss, während in Frankfurt am Main das Defizit mit 170 Mio. € am höchsten war.[25] Knapp 70% der Kommunen schloss das Jahr 2020 mit einem positiven Saldo ab. Diese Mittel werden in den Jahren 2021 und 2022 sicherlich benötigt werden, da auch in diesen Jahren niedrige Einnahmen und geringere Finanzhilfen auf steigende Ausgaben treffen werden.[26]

2021: Gewerbesteuereinnahmen noch knapp unter dem Niveau von 2019[Bearbeiten]

In der ersten Jahreshälfte 2021 hatten die Gewerbesteuereinnahmen der hessischen Kommunen das Niveau von 2019 noch nicht ganz wieder erreicht. Laut dem Statistischen Landesamt stiegen sie im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum 2020 um 28% auf 2,76 Mrd. €, in der ersten Jahreshälfte 2019 hatten sie 2,83 Mrd. € betragen. Wie erwartet haben damit die Kommunen in Hessen durch die Corona-Krise gut zwei Jahre in der Entwicklung der Finanzen verloren.[27]

2021 glimpflich, für 2022 negative Erwartungen[Bearbeiten]

Nach Feststellung des Statistischen Landesamtes, das die Kassenstatistik auswertet (also den Finanzierungssaldo, nicht das Haushaltsergebnis nach doppischen Regeln ermittelt) konnten im Jahr 2021 62% der hessischen Kommunen 2021 einen Überschuss erzielen, der Rest hatte ein negatives Ergebnis. Landesweit saldierten sich Überschüsse und Defizite der Kommunen auf 412 Mio. € (2020: 295 Mio. €). Den größten Beitrag dazu leistete mit 361 Mio. € Marburg, das aufgrund eines ansässigen Impfstoffherstellers einen großen Zuwachs an Gewerbesteuereinnahmen verbuchte. Das größte Defizit mit 95 Mio. € verzeichnete Darmstadt. Die um 376 Mio. € gegenüber dem Vorjahr gestiegenen Zuweisungen, Zuschüsse und Erstattungen des Landes trugen wesentlich zum positiven Gesamtergebnis bei.[28]

Nach einer Umfrage des hessischen Bundes der Steuerzahler vom Sommer 2021 erwarteten jedoch fast zwei Drittel der Städte Hessens über 20.000 Ew. für das Jahr 2022 ein Haushaltsdefizit. Von den 59 befragten Städten können 33 dies voraussichtlich aus der Rücklage decken, weitere 5 können das Defizit nicht ausgleichen.[29] Bastian Bergerhoff (Grüne), Kämmerer in Frankfurt am Main, erwartete für die Metropole eine "harte Zeit". "Es ist absehbar, dass wir 2023 oder 2024 noch nicht von normalen Jahren sprechen können. Ob wir danach wieder von solchen Jahren ausgehen, da würde ich noch ein Fragezeichen dransetzen." Die Rücklagen der Stadt sind weitgehend aufgebraucht, für die kommenden Jahre wird eine Überschuldung erwartet.[30] Im Haushalt für 2022 weist die Stadt ein Defizit von 219 Mio. € aus; mit einem ausgeglichenen Haushalt rechnet sie frühestens 2025.[31] Die Landeshauptstadt Wiesbaden kündigte im Mai 2022 - ähnlich wie schon einige Wochen zuvor Bad Homburg - eine Haushaltssperre an, nachdem die Gewerbesteuereinnahmen deutlich hinter den Ansätzen im Haushalt zurückblieben.[32]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Vgl., auch zur Situation in anderen hessischen Städten: hessenschau (HR), Wie die Corona-Krise die Kommunen in finanzielle Nöte treibt, 16.04.2020
  2. Frankfurter Allgemeine, Eine Viertelmilliarde weniger für Hessens Kommunen, 23.10.2020
  3. HNA, Kommunen brechen durch Coronakrise Steuereinnahmen weg, 29.04.2020; Gießener Allgemeine: Vorauszahlung für Kommunen, 05.05.2020; Blick aktuell: Bereits Anfang April 100 Millionen Euro für Kommunen bereitgestellt, 05.10.2020
  4. Oberhessische Presse, Corona-Krise lässt Haushaltspläne der Kommunen platzen, 15.05.2020. Vgl. auch zur Situation in einigen hessischen Großstädten: hessenschau, Kommunen befürchten wegen Corona erhebliche Finanzeinbrüche, 18.05.2020
  5. Der Neue Kämmerer, Coronakrise: düstere Prognosen in Hessen, 12.06.2020
  6. Süddeutsche Zeitung: Kommunen: Ähnlich starkes Minus wie in der Finanzkrise, 21.12.2020
  7. Kinzig.news: Öffentliche Kassen stehen vor historischen Steuereinbrüchen, 06.06.2020
  8. Landesregierung Hessen: Corona-Kommunalpaket hilft Hessens Kommunen, Pressemitteilung vom 30.06.2020; Werra-Rundschau, Ende des Schutzschirms? Land will Kommunen aus Vertrag entlassen, 19.06.2020
  9. Siehe das Gesetz im Wortlaut: Gesetz über das Sondervermögen „Hessens gute Zukunft sichern“ (Gute­Zukunft­Sicherungsgesetz – GZSG) vom 09.07.2020. Ebenfalls werbewirksam wurden einige Bewilligungsbescheide kommunalen Vertreter*innen bei Anwesenheit der Presse persönlich überbracht, vgl. z.B. Kinzig-News, Ausgleichszahlungen für Kommunen: Rund 525.500 Euro für die Stadt, 02.10.2020; HNA, Fehlende Gewerbesteuer: Land und Bund verteilen Millionen im Raum Kassel, 03.10.2020
  10. Landesregierung Hessen: Hessischer Landtag beschließt Sondervermögen, Pressemitteilung vom 04.07.2020; Frankfurter Rundschau: Hessens Kommunen brauchen Hilfe, 17.06.2020; Frankfurter Neue Presse: Wegen Corona: Hessischer Landtag beschließt größtes Hilfspaket aller Zeiten, 04.07.2020; Main-Spitze: Hessischer Landtag verabschiedet Corona-Finanzpaket, 04.07.2020
  11. Kinzig News: Bund und Land gleichen Gewerbesteuerausfälle der Kommunen aus, 09.08.2020; Welt: Steuerausfälle: Bund und Land helfen Kommunen, 01.09.2020
  12. hessenschau: Erste Corona-Millionen aus Sondervermögen genehmigt, 29.07.2020
  13. Zeit, Millionenhilfe für hessische Kurorte in der Corona-Krise, 12.12.2020
  14. Die Zeit, Über Drei Milliarden Euro Corona-Finanzhilfen für Kommunen, 06.11.2020; ausführlicher: fuldainfo, Kommunalpakt: Land und Kommen einig über Hilfen, 07.11.2020
  15. Der Neue Kämmerer, Corona-Länderhilfen für die Kommunen 2021, 07.12.2021
  16. Süddeutsche Zeitung: Kommunen fordern vom Land verlässliche Finanzzuweisungen, 03.09.2020
  17. Zeit, Corona-Hilfen aus Sondervermögen sollen Kommunen stützen, 08.09.2021
  18. Zeit, Corona-Hilfen aus Sondervermögen sollen Kommunen stützen, 08.09.2021
  19. Hessischer Staatsgerichtshof, Urteil vom 27.10.2021, Aktenzeichen: P.St. 2783, P.St. 2827 (pdf-Format, 108 Seiten); siehe auch die Pressemitteilung des Gerichts: Urteil des Staatsgerichtshofes zu den Normenkontrollanträgen zum „Corona-Sondervermögen“ von 40 Mitgliedern des Hessischen Landtags und der Fraktion der AfD im Hessischen Landtag, 27.10.2021
  20. Siehe die Leitsätze im zitierten Urteil, S. 1-5
  21. Siehe die Urteilsbegründung im Einzelnen, zitiertes Urteil Rn. 163-305, S. 54-96
  22. Siehe das Urteil, S. 102
  23. Der Neue Kämmerer, Corona-Sondervermögen: SPD fordert Boddenbergs Rücktritt, 08.11.2021.
  24. Bund der Steuerzahler Hessen: Größere Städte in Hessen planen bislang keine Steuererhöhungen als Reaktion auf Corona, 01.07.2020; siehe auch Süddeutsche Zeitung: Steuerzahlerbund: Keine Steuererhöhung der Städte, 01.07.2020; mex (hr fernsehen), Corona-Belastung - warum Hessens Kommunen glimpflich davonkommen, 17.02.2021 (Video, 6:40 min.)
  25. Die Stadt Frankfurt selbst gab ihr Defizit für 2020 im April 2021 nur mit 65 Mio. € an; allerdings dürfte dies auf der doppischen Rechnung beruhen, während die amtliche Statistik immer noch kameralistische Zahlen auswertet. Zeit, Haushaltsdefizit in Frankfurt geringer als befürchtet, 23.04.2021
  26. rtl, Kommunen mit Überschuss im Corona-Jahr: Ohne Hilfen im Minus, 17.03.2021. Kassel beispielsweise erzielte statt der ursprünglich erwarteten 20 Mio. € einen Jahresüberschuss von 42 Mio. €, der zum Abbau der noch 364 Mio. € hohen Verschuldung verwendet wird; Zeit, Kassel schließt 2020 mit zweistelligem Millionenplus ab, 30.04.2021
  27. Statistisches Landesamt Hessen: Hessische Gewerbesteuereinnahmen im ersten Halbjahr 2021 näherten sich Vorkrisenniveau wieder an, Pressemitteilung 112/2021 vom 30.07.2021
  28. Statistisches Landesamt Hessen: Kommunaler Finanzierungsüberschuss in Hessen 2021 erneut über dem Vorjahreswert, Pressemitteilung vom 02.05.2022
  29. Bund der Steuerzahler Hessen: Über die Hälfte der größeren Städte in Hessen muss auf Rücklagen zurückgreifen, 19.08.2021
  30. Zeit, Kämmerer: Wiederanlaufen nach Corona wird "harte Zeit", 05.11.2021
  31. Zeit: Corona beeinflusst weiter Frankfurts Finanz-Haushalt, 23.02.2022
  32. Der Neue Kämmerer, Haushaltssperren sollen Kommunalfinanzen stabilisieren, 24.05.2022

Siehe auch[Bearbeiten]